Vom Neuen Markt zum Stadtkanal

Neuer Markt
© Michael Lüder
Neuer Markt (© Michael Lüder)

 

Das Stadtgebiet von Potsdam war bis zum 18. Jahrhundert sehr klein. Begrenzt wurde es auf der einen Seite von der Havel. Die Landgrenze verlief damals in etwa entlang der heutigen Heilig-Geist-Straße, der Straße Am Kanal, der Yorckstraße und der Dortustraße. 1660, vor Beginn des Schlossbaues durch den Kurfürsten Friedrich Wilhelm, gab es in Potsdam 198 Wohnstätten. 119 davon waren "wüst", also ohne Bewohner, 29 galten als "verarmbt". Der Schlossbau veränderte die Struktur der Bauten und der Bevölkerung. Zeugnisse davon sind jedoch heute kaum noch vorhanden. Mit dem Schlossbau hob sich der Lebensstandard in der Stadt, ein geplanter Abriss des alten Potsdam mit anschließendem Neubau kam jedoch aus Geldmangel noch nicht zustande. Der Neue Markt, heute der schönste Platz Potsdams, ist ein bauhistorisches Kleinod. Von Zerstörungen weitgehend verschont und in den 1990-er Jahren aufwändig restauriert, ist er der einzige noch annähernd erhaltene Stadtplatz des 18. Jahrhunderts. Ursprünglich ein Ort, an dem man Pferde ein- und ausspannte, schrumpfte der alte Stallplatz 1725 durch den Bau mehrerer Häuser auf seine heutige Größe. Unter Friedrich II. entstanden neue repräsentative Bürgerhäuser am nun Neuer Markt genannten Platz. Heute ist der Neue Markt mit den hier angesiedelten wissenschaftlichen Institutionen ein geisteswissenschaftliches Zentrum Potsdams.

 

Ratswaage

Im Zentrum des Platzes steht die Ratswaage. Ihre Vorgängerin, die königliche "Malz- und Kornwaage" oder auch "Mühlenwaage" wurde 1735 hier in einem Fachwerkhaus eingerichtet. Die Einkünfte gingen an das königliche Waisenhaus. 1836 wurde das jetzige Gebäude errichtet und 1875 wurde – nach Erneuerung der technischen Einrichtungen - auch die städtische Ratswaage hierher verlegt.

 

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG)
 

Die Westseite des Neuen Marktes wird von der frühklassizistischen Fassade des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eingenommen. Errichtet wurde das Gebäude in den Jahren 1787 bis 1790 nach Entwürfen des Hofbaumeisters Andreas Ludwig Krüger (1743-1822) als Stall für die königlichen Kutschpferde. So finden sich hinter der durch Pilaster gegliederten Fassade mit leicht betonten Eckrisaliten mächtige dreischiffige Stallungen, deren Gewölbe auf Stützen aus rotem Sandstein ruhen. Einst standen hier rund 100 Pferde in abgetrennten Boxen, im niedrigen Obergeschoss wohnten Stallburschen und Vorreiter. Im Hof waren die Kutschen in einem langen Remisengebäude untergebracht. Die Remisen wurden im 19. Jahrhundert teilweise erweitert oder durch neue Gebäude ersetzt, u. a. entstanden ein Pferdelazarett und eine kleine Reitbahn. Eine Reithalle und eine Schmiede aus dem 18. Jahrhundert gehören noch zur Gesamtanlage. Bis 1918 gehörte der Kutschstallkomplex zur Hofhaltung des Potsdamer Stadtschlosses. Danach wurde das Areal für Polizeipferde genutzt, später als Tennishalle und Möbellager, Garage und Werkstätten. Im Kutschstall selbst wurde 1940 ein Obst- und Gemüsemarkt eingerichtet. 1945 brannten Dachstuhl und Obergeschoss im südlichen Teil des Kutschstalls aus, wurden jedoch in den Nachkriegsjahren wiederhergestellt. Danach nutzten eine Autoreparaturwerkstatt und dann der Großhandelsbetrieb für "Obst, Gemüse und Speisekartoffeln" das Areal. 1997 übernahm das Land Brandenburg die Liegenschaft vom Bund mit der Bestimmung, dort ein Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte einzurichten. Dieses hat seinen Platz im eigentlichen Kutschstall; ein Anbau auf dem Hof als Haupteingangsbereich wurde 2003 fertiggestellt. Das Portal wird von einer Quadriga gekrönt, deren Skulpturen durch ihre lebensnahe, bewegte und detailgenaue Ausführung bestechen. Erstaunlich ist, dass Kutscher und Stallburschen die Szene beherrschen, keine Könige oder Götter, ganz im Gegensatz zu anderen repräsentativen Bauten. Hier wurden einfache Hofbedienstete und ihre Arbeitswelt zum Gegenstand einer aufwändigen bauplastischen Gestaltung.

 

Neuer Markt

Die nördliche Seite des neuen Marktes ist durch die friderizianische Baukunst geprägt. Bereits 1755 entstand am Neuen Markt 5 ein sehr repräsentatives Gebäude, das einem 1551 von Palladio gebauten italienischen Palazzo nachgebildet wurde. Es kontrastierte stark mit den benachbarten Häusern und wurde 1945 zerstört. Vor wenigen Jahren wurde das Gebäude in abstrahierter Anlehnung an das historische Aussehen wiedererrichtet. Die daneben liegenden Häuser 6 bis 8 wurden 1773 durch Unger gebaut. Sie beherbergen heute u. a. das Einstein-Forum und das Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien. Das Haus Nummer 3 wurde 1770 für den Hofzimmermeister Johann Georg Brendel, der am Potsdamer Baugeschehen stark beteilig war, errichtet. Seine Initialen sind im Gitter an der Freitreppe noch erhalten.

 

Kabinetthaus, Am Neuen Markt 1

Gebaut wurde das Haus 1753 auf Veranlassung Friedrichs II. zunächst als bürgerliches Wohnhaus für die Familie des Landpredigers Krumbholz. Bewohnt hat sein Neffe und Nachfolger das Haus von 1764 bis zu seiner Thronbesteigung 1786 als Friedrich Wilhelm II. Hier wurden der spätere König Friedrich Wilhelm III. (1770) und wahrscheinlich auch Wilhelm von Humboldt (1767) geboren, dessen Vater Kammerherr der Kronprinzessin Elisabeth, der ersten Frau Friedrich Wilhelms war. Zum kronprinzlichen Palais gehörte auch das benachbarte Haus in der Schwertfegerstraße 8. Glanzvolle Bälle und Konzerte machten damals den Neuen Markt zum Mittelpunkt der Potsdamer Gesellschaft. Nach dem Auszug des Kronprinzen war das Haus 1788 bis 1806 Sitz der Königlichen Ingenieur-Akademie, 1833 schließlich kaufte die Krone das Haus für das königlich-preußische Kabinett. Aus dieser Zeit hat sich der heutige Name erhalten. Das gesamte Areal wurde 2001 rekonstruiert.

 

Stadtkanal

"Die Strassen führen mich gerad’ auf die Canäle, / Die durch den größten Teil der Stadt geleitet sind … / Dieselben sind demnach von solcher Tief’ und Breite, / Daß sie, wie offt zu sehn, ein großes Schiff befährt …“. Man kann Bellamintes glauben, denn auch der Geheime Hofrath Schneider, einer der Mitglieder des "Vereins für die Geschichte Potsdams“, beschreibt im 19. Jahrhundert den Stadtkanal als wichtig für die Entwässerung des Baulandes und für den Transport von Baumaterial. 1722 ließ Friedrich Wilhelm I. im Zuge der ersten Stadterweiterung den bereits vorhandenen Stadtgraben begradigen, vertiefen und mit Verschalungen versehen. Der Stadtkanal führte damals Wasser aus der Havel entlang der heutigen Straße Am Kanal, der Yorckstraße und der Dortustraße und mündete in Höhe der Oberen Planitz wieder in die Havel. Insgesamt neun Brücken überspannten ihn. Längs des Kanals entstanden einzeln stehende, für Standespersonen gebaute Häuser; man wohnte "an der Gracht“, denn so wurde der Stadtkanal damals genannt. 1789 erhielt der Kanal beidseitig ein Geländer, bereits 1809 erhoben Anwohner die Forderung, das Gewässer wegen Geruchsbelästigung zuzuschütten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Stadtkanal 1962 bis 1965 im Zuge des Umbaus der Innenstadt zugeschüttet. 1999 wurde mit der Freilegung des ehemaligen Stadtkanals begonnen. Zahlreiche Bürger haben Geländerpfosten gekauft und mit ihrem Namen versehen lassen, um sich auf diese Weise an der Finanzierung des Projektes zu beteiligen. In der Yorckstraße 7 wurde am 16. Februar 1834 der bekannte Naturwissenschaftler und Philosoph Ernst Haeckel (gest. 1919 in Jena) geboren.

 

Nikolaisaal Potsdam, Wilhelm-Staab-Straße 10/11

Hinter der Fassade zweier bürgerlicher Wohnhäuser aus dem Jahr 1777 verbirgt sich der Potsdamer Nikolaisaal, ein Konzerthaus, wie an den aufgestellten Notenständern zu erkennen ist. Die musische Tradition dieses Ortes geht auf das Jahr 1909 zurück. In diesem Jahr wurde im Beisein der Kaiserin Auguste Viktoria der erste Potsdamer Nikolaisaal, damals ein Haus der Kirchgemeinde St. Nikolai, eingeweiht. Nach Umbauten in den 1930er Jahren wurde auch der Nikolaisaal 1945 in Mitleidenschaft gezogen. Kirchgemeinde und der neu gegründete Landessender Potsdam bauten das Gebäude als Konzert- und Sendesaal wieder auf. In den nachfolgenden Jahren gastierten hier u. a. Dietrich Fischer-Dieskau, Sergiu Celibidace und Wilhelm Furtwängler mit den Berliner Philharmonikern. Nach der Wiedereinweihung der Nikolaikirche 1981 und dem Auszug der Gemeinde verfiel der Saal, das Grundstück wurde der Stadt überlassen. Erst 1998 begann der Wiederaufbau nach einem Entwurf des französischen Architekten Rudy Ricciotti. Im August 2000 wurde der neue Nikolaisaal mit einem großen Saal für 725 Besucher, einem einladenden Foyer und günstigen Arbeitsbedingungen eingeweiht. Die Wilhelm-Staab-Straße, auch als "erste Barockstraße der DDR" bezeichnet, ist ein hochrangiges städtebauliches Ensemble. Sie gehört gemeinsam mit der Yorckstraße zu den Bereichen der Innenstadt, die bereits in den 1950-er Jahren nach historischem Vorbild bzw. historisierend wieder hergestellt wurden. Gleichwohl betrifft das nur die Fassaden, dahinter war nach den Zerstörungen des Krieges alles neu.

 

Dortu-Schule, Dortustraße 28/29

Die Wohnhäuser in der heutigen Dortustraße wurden 1771 nach Plänen des Architekten Georg Christian Unger (1743-1799) errichtet. Eines dieser Häuser gehörte 1826 den Eltern des revolutionären Demokraten Maximilian Dortu, der 1849 hingerichtet wurde. Die Familie Dortu schenkte das Anwesen 1860 der Stadt für gemeinnützige Zwecke. 1867 wurde es zur Schule umgebaut. Die Dortu-Schule beherbergt noch heute einen Raum aus der Bauzeit mit einer repräsentativen Rokoko-Stuckdecke, das sogenannte Rosenzimmer.

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