Kolumne der Woche: Schrecken der Vergangenheit

Oberbürgermeister Jann Jakobs
© Oberbürgermeister Jann Jakobs
Oberbürgermeister Jann Jakobs

14. April 2018

Liebe Potsdamerinnen, liebe Potsdamer,

wenn ich mich der schrecklichen Bilder der vergangenen Jahre aus Syrien oder dem Jemen erinnere, dann bin ich betroffen von so viel unermesslichem Leid und erschüttert von der alltäglichen Gewalt dieser Tage. Menschen leiden, Menschen sterben, viele Überlebende fliehen aus den Kampfgebieten. Das ist für uns heute relativ weit weg. Aber das war nicht immer so.

Als der australische Oberleutnant Hugh Le Good am 14. April 1945 um 22:39 Uhr im „Master Bomber“ über dem wolkenlosen Himmel über Potsdam den Befehl zum Bombenabwurf gab, gingen in nur 30 Minuten aus den Schächten der 724 britischen Flugzeuge insgesamt 1752 Tonnen Bomben auf die Stadt nieder. Fast 1600 Menschen kamen dabei ums Leben. Diese Nacht von Potsdam bedeutete eine der größten Zäsuren in der Stadtgeschichte. Die Innenstadt lag in Trümmern, das Stadtschloss wurde größtenteils zerstört, ebenso Teile des Turms und Kirchenschiffs der Garnisonkirche. Andere wertvolle Bauwerke wie das Alte Rathaus oder die Nikolaikirche am Alten Markt wurden schwer beschädigt. In der aktuell anlässlich des Stadtjubiläums „1025 Jahre Potsdam“ und des 120. Geburtsjahres von Max Baur gezeigten Ausstellung „Potsdam, ein Paradies für meine Kamera“ sind im Potsdam Museum noch bis zum 26. August auch Fotografien des Künstlers zu sehen, welche das ganze Ausmaß der Verwüstungen belegen.

Am heutigen Samstag erinnern wir uns wieder dieser Nacht im April '45. Bürgermeister Burkhard Exner eröffnet heute eine Veranstaltung in eben jenem Potsdam Museum, auf der Zeitzeugen über ihre persönlichen Erlebnisse berichten werden und darüber sprechen, wie die Kriegserfahrungen ihr Leben geprägt haben. Wir gedenken heute der Toten und den Opfern dieser Nacht. Wir tun dies in Stille und mit dem Versprechen verbunden, dass dies für uns eine ewige Mahnung bleiben soll. Denn die Nacht von Potsdam ist ohne den Tag von Potsdam nicht denkbar. Und eine Erinnerung ausschließlich an diese schreckliche Nacht, so furchtbar sie auch war, greift daher viel zu kurz. Und wer „Nacht von Potsdam“ oder auch „Bombennacht von Dresden“ sagt, der muss auch „Guernica“ sagen. Der darf „Warschau“ nicht vergessen und „Rotterdam“ nicht und auch nicht „Coventry“.

Wie nah wir in der Landeshauptstadt diesen schrecklichen Tagen auch 73 Jahre später noch sind, können wir immer wieder erleben, wenn Weltkriegsbomben in Potsdam gefunden werden, es sind bereits 187 seit der Wiedervereinigung. Die Schrecken der Vergangenheit mögen unter einer Patina der Jahrzehnte versteckt sein, doch sie sind immer noch gegenwärtig. Sie bleiben relevant.

Daher bleibt es wichtig, für eine friedliche Welt einzustehen. Eine Welt, in der Krieg und Vertreibung für immer der Geschichte angehören. Denn aus der Geschichte zu lernen und die Zukunft zu gestalten, das ist unsere Aufgabe.

Ihr
Jann Jakobs