Grundgedanken und Handlungsempfehlung
Kinder und Jugendliche, die sich der Musik zuwenden und verantwortungsvoll an diese herangeführt werden, betreten eine große Welt, reich an kulturellen, künstlerischen und sozialen Werten und Erfahrungen - aber auch mit Anforderungen, hoch gesteckten Zielen und damit möglicherweise enttäuschten Ansprüchen und Erwartungen.
Heranwachsende Musikschülerinnen und Musikschüler brauchen Zugewandtheit, Sensibilität und Förderung. Die Lehrkräfte sind in der täglichen Pflicht, ihren Schülern die Musik - eines unserer schönsten und reichsten Kulturgüter - nahezubringen, sie zu begeistern, ihnen Wege zu zeigen und Grenzen zu setzen. Das Wohl des Kindes und sein Bedürfnis nach alters- und entwicklungsgerechten Erfahrungen soll dabei immer an vorderster Stelle stehen.
Der Umgang mit Kindern und Jugendlichen an der Musikschule steht im Einklang mit der UN-Kinderrechtskonvention. Alle Lehrkräfte verfügen über ein aktuelles erweitertes Führungszeugnis.
Seelische und körperliche Aspekte beim Kindeswohl
In der musikalischen Ausbildung können die Beziehungen des Kindes zu seinen Lehrkräften und gleichgesinnten Mitschülern eine große Bereicherung sein. Die Erfahrung einer stabilen unterstützenden Gemeinschaft kann so die Sozialkompetenz jedes Einzelnen stärken. Auch das Erleben des eigenen Könnens beim Musizieren, die Freude über die wachsende Fähigkeit, sich auf dem Instrument oder mit der Stimme auszudrücken, Erfolge und Anerkennung bei Vorspielen, Eigenproduktionen, Konzerten und Wettbewerben – all das kann positive Auswirkungen auf die Entwicklung eines Kindes und Jugendlichen haben, Lebensfreude schenken und das Selbstvertrauen stärken.
Sind die Ziele allerdings zu hochgesteckt oder entsteht übermäßiger Druck, sei es vom Schüler selbst, vom Elternhaus oder vom Lehrenden, kann die Seele des Kindes leiden und Schaden nehmen. Eine zu große Diskrepanz zwischen dem Anspruch an das eigene Können und den vorhandenen Fähigkeiten kann zum Gefühl von Versagen und Unzulänglichkeit sowie zu Ängsten führen und damit das eigene Selbstbild negativ beeinflussen.
Hier zeigt sich die große Verantwortung der Lehrerinnen und Lehrer, eine gute Balance zu finden zwischen Fördern und Fordern, ohne dabei zu überfordern. Das Wohl des Kindes - und nicht die Ambitionen der Eltern oder der Lehrkräfte - muss im Vordergrund stehen. Zugleich ist das seelische Befinden des Kindes nicht immer sichtbar, sind seine Wünsche nicht immer ausgesprochen oder von ihm selbst erkannt. Behutsame Pädagogik vermag es, diese Befindlichkeiten im Interesse einer gesunden seelischen Entwicklung zu erspüren und verschiedene Entwicklungsphasen sensibel zu begleiten.
Eigenes Musizieren erfordert immer auch Arbeit mit dem Körper. Selbstverständlich achten die Lehrkräfte darauf, dass keine körperlichen Schäden durch Fehlhaltungen oder Überlastungen entstehen.
Berührungen durch die Lehrkraft können dabei fachlich hilfreich sein und sind deshalb in Abstimmung mit den Schülern möglich. In besonderen Situationen können menschliche Verhaltensgewohnheiten wie eine spontane Umarmung nach einem Erfolgserlebnis oder ein tröstendes In-den-Arm-Nehmen mit feinem Gespür seitens der Lehrkraft die Situation bestärken bzw. entspannen und stabilisieren.
In der Elementarstufe sind Berührungen sogar integraler Bestandteil der pädagogischen Arbeit. Je jünger die Kinder sind, desto direkter zeigen viele ihre Bedürfnisse nach körperlicher Nähe als Zeichen der Geborgenheit und des Vertrauens. Die Lehrenden ermöglichen es den Kindern, Musik mit allen Sinnen zu erleben und bestärken sie, altersangemessen ihre individuellen Potentiale zu entfalten. Dabei beziehen die Lehrkräfte ihre Vorbildfunktion bezüglich persönlicher Ausstrahlung, Körperbezogenheit im musikalischen Spiel bis hin zum emotionalen Ausdruck der Stimme oder des Instrumentalspiels gegenüber den ihnen anvertrauten Kindern mit ein. Die Pädagogen beobachten gruppensoziale Prozesse, nehmen Störungen wahr und reagieren zum Beispiel auf Ausgrenzungen jeder Art.
In der Gesellschaft hat sich eine große Sensibilität gegenüber körperlichen Berührungen etabliert, nicht zuletzt als Reaktion auf Fälle von Gewalt oder sexuellem Missbrauch an Kindern und Jugendlichen in Schulen, Chören, Vereinen und Kirchen. Berührungen können subjektiv als Grenzverletzung wahrgenommen werden. Hier ist Sensibilität seitens der Lehrkräfte gefragt, die Grenzen, die der Schüler setzt, immer wieder neu zu erspüren und zu respektieren, um ein gesundes Verhältnis von Nähe und Distanz zu schaffen.
Handlungsempfehlungen
Der Schlüssel zu einer gelingenden Lehrer-Schüler-Elternhaus-Beziehung ist eine respektvolle und wertschätzende Kommunikation. Alle Entscheidungen hinsichtlich der musikalischen Entwicklung, der Unterrichtszeit, des Übens, der Auftritte, des Ensemblespiels, der Abschlüsse und Wettbewerbsteilnahmen bis hin zu einer möglichen Berufswahl sollten immer im Sinne einer positiven Entwicklung des Kindes und Heranwachsenden getroffen werden.
Bereits bei Beginn des Unterrichtsverhältnisses sollte angesprochen werden, dass es im Unterrichtsgeschehen aus fachlichen Gründen zu Berührungen kommen kann. Diese sind aber immer anzukündigen und können seitens des Schülers auch verweigert werden, ohne dass ihm oder ihr daraus ein Nachteil in der Beziehung zur Lehrkraft entsteht. Eventuelle Bedürfnisse der Schüler nach Abgrenzung werden wahrgenommen, und die Unterrichtsführung wird danach ausgerichtet.
Die Sprache als zentrales Kommunikationsmittel wird im Unterrichtsgeschehen in ihrem ganzen Reichtum - auch an Bildern und humorvollen Elementen - eingesetzt und sollte im Verhältnis von Lehrenden und Lernenden stets die gegenseitige Achtung verdeutlichen.
In Gruppensituationen kann es zu grenzverletzendem, distanzlosem und sexualisiertem Verhalten oder einer derartigen Kommunikation der Schüler untereinander kommen. Die Pädagogen müssen darauf reagieren und dieses unterbinden.
Liegt ein Verdachtsfall für eine Kindeswohlgefährdung vor, bedarf es einer genauen, sensiblen und ruhigen Prüfung. Einerseits erfordert eine tatsächliche Verletzung des Kindeswohls sofortige Maßnahmen, andererseits kann aber auch eine falsche Verdächtigung schwerwiegende Auswirkungen auf die betreffende Person haben. In jedem Falle steht die Direktorin als Ansprechpartnerin zur Verfügung und entscheidet unter Berücksichtigung von § 4 KKG über das weitere Vorgehen.