Kolumne der Woche: Neue Nachbarschaften

Oberbürgermeister Jann Jakobs
© Oberbürgermeister Jann Jakobs
Oberbürgermeister Jann Jakobs

28. Juni 2015

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

noch immer gibt es Vorurteile gegen Menschen, die anders aussehen als manch einer sich das Aussehen des Deutschen im Allgemeinen vorstellt. Das ist sehr traurig und wir gemeinsam dürfen nicht müde werden, täglich gegen Vorurteile und Diskriminierung zu kämpfen. Gerade in diesen Monaten stehen wir in Europa, aber auch die Menschen in vielen anderen Staaten der Welt vor einer besonderen Aufgabe. Immer mehr Menschen fliehen vor Krieg und bitterer Armut, strömen in Länder, in denen die Aussicht auf ein Leben in Freiheit besteht. Deutschland gehört dazu, die Stadt Potsdam gehört dazu.

Neue Nachbarn sind in unserer Landeshauptstadt herzlich willkommen. Und eines ist uns in den vergangenen Monaten dabei gelungen: Wir haben die alten Nachbarn nicht vergessen. In Potsdam haben wir gemeinsam einen guten Weg gefunden, neue Nachbarschaften zu knüpfen und ich finde es toll,
dass sich immer wieder spontan Menschen finden, die Patenschaften für einen Flüchtling übernehmen. In der Vorwoche gab es im Rathaus eine besondere Veranstaltung. Das Bündnis für Demokratie und Toleranz | gegen Extremismus und Gewalt hat Preise an Initiativen und Vereine überreicht,
die sich in ihren täglichen Arbeit für die Integration und gegen Gewalt einsetzen. Acht Projekte aus Berlin waren dabei, aber auch eins aus Potsdam.
Ich gratuliere daher herzlich den Initiatoren der Neuen Nachbarschaften des Stadtteilnetzwerkes Potsdam-West, dass sie für Ihre Arbeit im Stadtteil und darüber hinaus erneut einen Preis gewonnen haben. Schon die Landeshauptstadt hat dem Netzwerk den Integrationspreis verliehen.

In dieser Woche stehen wir wieder vor einer spannenden Debatte. Beim Stadtforum heißt das Thema am Donnerstagabend ab 18 Uhr im Treffpunkt Freizeit: Flüchtlinge in Potsdam. Initiativen werden sich dort präsentieren, zugleich wird die Perspektive von Flüchtlingen in der Stadtgesellschaft diskutiert. Wir erleben es in den vergangenen Monaten immer wieder, dass sich künftige Nachbarn von Flüchtlingsunterkünften gegen die Einrichtung der Gemeinschaftsunterkünfte in ihrem Kiez wehren. Bislang haben die Gerichte der Stadt jeweils Recht gegeben und wir durften beispielsweise die Unterkünfte An den Kopfweiden und in Groß Glienicke bauen. Ich bin mir sicher, dass sich auch an den Standorten Menschen zusammenfinden, um einander zu helfen.

Potsdam verfolgt ein Konzept der Integration in Sachen Flüchtlingsunterkünften. Kleinere Standorte in verschiedenen Stadtteilen sind entstanden und werden entstehen. Wie eine solche Unterkunft aussieht, können Sie immer wieder bei Projekttagen oder Tagen der offenen Tür sehen. Am Donnerstag wird die Unterkunft in der David-Gilly-Straße für einige Stunden geöffnet. Dort ist bekanntlich ein Haus aus Wohnmodulen, die bisher als Krankenhaus in Cottbus gedient haben, errichtet worden. Ich kann sie nur ermuntern, sich eine solche Unterkunft anzuschauen und mit den Sozialarbeitern ins Gespräch zu kommen – denn in den Gemeinschaftsunterkünften gibt es nicht nur Ansprechpartner für Flüchtlinge, sondern auch für die Nachbarn.

Knapp 1000 Menschen werden wir in diesem Jahr in Potsdam aufnehmen, die vor Krieg und Armut geflohen sind und ihre Heimat verlassen haben – einige befristet, andere für immer. Es ist eine große Herausforderung, den Flüchtlingen eine gute Unterkunft zu bieten. Mindestens genauso anstrengend ist es aber, die Betreuung durch Sozialarbeiter in den jeweiligen Unterkünften abzusichern. Und dank Ihnen, liebe Potsdamerinnen und Potsdamer, ist in den vergangenen Jahren eine freundliche Willkommensatmosphäre für die Menschen nach ihrer Flucht entstanden. Dank Ihrer offenen Arme, Ihrem oft vorhandenen Verständnis für die Situation der Flüchtlinge habe ich in den vergangenen Monaten eine Solidarität erlebt, die einfach wunderbar ist.

Ich bin davon überzeugt, dass wir auch in den kommenden Monate und Jahren gemeinsam für eine starke Zivilgesellschaft gegen Rassismus und Ausgrenzung kämpfen.

Ihr

Jann Jakobs