Keimen-Tragen-Untergehen, Steffen Mertens, 1982

Terrakotta teils bemalt, glasiert, strukturiert auf Zementfundament Große Stele: H 220 cm, B 70 cm, T 70 cm; Kleine Objekte: H ca. 40 cm, B 80 cm, T 80 cm

Drei Plastiken an der Neustädter Havelbucht zeigen Wesenszustände des menschlichen Daseins: Das aufkeimende Leben schiebt sich in die Höhe, trägt fortan die Last des Daseins und kehrt
anschließend wieder ins Erdreich zurück. Die Gesellschaft mit all ihren Widersprüchen bildet jedoch den Kern der mehrteiligen Installation.

Aus einer Platte am Boden erhebt sich unscheinbar und noch ohne Konturen der Keim und kämpft bereits mit den ersten Anstrengungen des Lebens. Die zweite Plastik ist in ihrer vollen Höhe ausgebildet und steht wie ein Pfeiler fest in der Landschaft. Eingebunden in den Organismus einer Gesellschaft sind auf vier Seiten Menschen, Tiere und Technik miteinander verwoben. Sie strotzen ihrem eigenen Schicksal, welches als geschnürtes Paket schwer auf ihren Köpfen lastet. Die aufrecht stehenden Figuren bilden Paare, die sich einander umarmen und lieben wollen. Eine ausgestreckte Hand greift helfend nach der Hand eines Stürzenden. Jener guckt gleichzeitig in die Röhre einer roboterhaften Gestalt - er verdeutlicht die Unfreiheit einer von der modernen Technik abhängigen Gesellschaft. Um den Hals eines Pferdekopfes klammern sich die Hände eines Mannes, der das Animalische zu bezwingen versucht. Paare, Tiere und Maschinen verdeutlichen persönliche und gesellschaftliche Widersprüche, die der Künstler zu kritisieren versucht. Sie symbolisieren eine verklumpte Gesellschaft und die, die sich aus der Enge ihres eigenen Selbst nicht entziehen können. Um die Plastik herum liegt Abgeschlagenes, welches der Künstler im Prozess des plastischen Formens wieder entfernt hat. Damit wird jenes zum Sinnbild für das Erneuern und die Entwicklung jedes Individuums. Genauso wie der Keim zum Tragen kam, muss er wiederum im Erdreich verschwinden, um im Kreislauf des Lebens erneut hervorzutreten. Das Paket, welches die Last des Daseins symbolisiert, begräbt die Gesellschaft nun unter sich und bleibt das zuletzt Sichtbare, während es selbst im Erdboden verschwindet.

Der Bildhauer Steffen Mertens (*1943) will grundlegende Phasen des Lebens und gesellschaftliche Prozesse aufzeigen. Dabei wechselt seine Plastik zwischen Sichtbarem und Assoziativem und zeigt sich kritisch und ironisch zugleich. Das Leben scheint er uns als ein Existenzkampf vorzuhalten, welcher von Zweifel und Stärke, Liebe und Enge eingebunden ist. Diese zeigt er uns in typischen Zuständen der Bildhauerei: Aufstieg und Sturz.

Adresse

Keimen-Tragen-Untergehen
Breite Straße 24
14471 Potsdam
Deutschland