Keil oder Klammer

01.09.2013

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

diese Woche ist es wieder soweit. Für wenige Tage ist die Landeshauptstadt Potsdam wieder Zentrum der internationalen Medienaufmerksamkeit. Denn dann findet das M100 Sanssouci Colloquium 2013 und die Vergabe des M100 Media Awards hier in unserer Mitte statt. Eine Vielzahl von Entscheidern aus Politik und Medien kommen in Potsdam zusammen, um die heißesten Themen der internationalen Medienwelt zu debattieren.

Der Preisträger des diesjährigen M100 Media Awards ist der "stehende Mann". Sein Name ist Erdem Gündüz, er ist der berühmte "Standing Man" vom Taksim Platz in Istanbul. Sein stiller Protest gegen die gewaltsame Räumung des Platzes, bei dem er stundenlang stumm und unbeweglich auf dem großen Platz mit Blick auf das Porträt des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk stehen blieb, wurde zu einem Medienphänomen. Und zwar ganz zeitgemäß zunächst in den sozialen Netzwerken wie Twitter und dann erst in der Weltpresse. Natürlich wird seine Aktion nicht überall gerne gesehen und bietet Raum für die eine oder andere Kontroverse, aber ich finde, dass Erdem Gündüz damit ein Zeichen gesetzt hat: gewaltfreier friedlicher Widerstand funktioniert, wenn er kreativ ist und ausdauernd vorgetragen wird.

Auch das diesjährige Thema des Colloquiums ist überaus kontrovers: „Are the Media destroying Europe?" - zerstören die Medien Europa? Das ist eine spannende Frage, die ganz bestimmt hitzige Debatten rund um das M100 Colloquium auslösen wird. Denn das haben Sie sich doch bestimmt auch schon einmal gefragt: Sind die Medien eher ein Keil zwischen den Nationalstaaten oder können sie auch Klammer sein? Was lösen Kampagnen deutscher Boulevard-Blätter wie "die Pleite-Griechen" und "Angst um unser Geld" in den Ländern des europäischen Südens aus? Und was bewirken Medienkampagnen aus Italien, Griechenland oder Portugal hier bei uns, in denen von einem anstehenden "4. Reich" gesprochen wird oder ranghohe deutsche Politikerinnen und Politiker in NS-Uniformen und mit Hitler-Bärtchen gezeigt werden? Ich bin sehr gespannt auf die Debatte am Donnerstag unter der gewohnt souveränen Moderation des renommierten TV-Journalisten Tim Sebastian.

Sicher, M100 ist hauptsächlich eine Veranstaltung für Medienmacher und Entscheidungsträger. Aber M100 ist wichtig für den Medienstandort Potsdam in der Metropolenregion Berlin/Brandenburg. Die internationalen Gäste des Colloquiums lieben Potsdam, weil es einerseits den Flair des Alt-Ehrwürdigen inne hat, weil es andererseits aber auch ein moderner und erfolgreicher Medien- und Filmstandort ist, der weltweites Renommee besitzt.

Und Sie, liebe Potsdamerinnen und Potsdamer, haben diesen Gästen einiges voraus. Denn wenn die M100-Teilnehmer schon wieder nach Hause gefahren sind, dann sind Sie immer noch hier, in unserer schönen Landeshauptstadt Potsdam.

Ihr

Jann Jakobs


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