Text: Horst Sperfeld
Geschichten über Potsdamer Olympioniken: Birgit Fischer geht in die Geschichte ein
Potsdamer Olympioniken, Teil 13
Sydney 2000
Die Welt scheint im Jahre 2000 ein wenig zur Ruhe gekommen zu sein. Die Sektkorken für ein neues Jahrtausend knallen überlaut und übertönen damit die weiter schwelenden Konflikte an den Brandherden des Erdballs. In Europa bereitet man eifrig die Einführung einer neuen Währung vor; der Euro ist schon als Verrechnungsgeld in elf Ländern präsent. Deutschlands Politik ist gelähmt vom Spendenskandal der CDU, in deren Folge Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl den Ehrenvorsitz in seiner Partei niederlegen muss und sein designierter Kanzlernachfolger Wolfgang Schäuble vorübergehend ebenso all seine Führungsämter abgibt. In Russland wird Wladimir Putin nach dem unrühmlichen Abtritt von Boris Jelzin für seine erste Amtszeit als Präsident vereidigt. In den USA gelangt am Ende des Jahres der zweite Vertreter der Bush-Dynastie nach einem umstrittenen Wahl-Finale ins Weiße Haus. Die Zeichen im politischen Weltgetümmel stehen mit dem Beginn der Präsidentschaft von George W. Bush wieder auf Sturm. Die darauf folgende erste große Gewitter-Entladung gibt es aber erst am 11. September 2001 mit den über 3000 Opfer fordernden Flugzeug-Anschlägen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington durch islamistische Terroristen. Das Jahr 2000 ist also von einer trügerischen Ruhe geprägt.
Sydney, die wohl schönste Stadt Australiens, profitiert davon. Gleich 199 Länder wollen am Treffen der olympischen Familie teilhaben, so viele wie nie zuvor. Und es wird ein wahres Fest des Sports. Klar, auch Doping ist wieder ein Thema. Aber insgesamt ist man weltweit berauscht von dem emotional geprägten Sportfest am untersten Zipfel der zivilisierten Welt, kurz down under. IOC-Präsident Antonio Samaranch spricht am Ende der Spiele das höchste Kompliment an die Gastgeber aus: Die "besten Spiele aller Zeiten".
Die Gastgeber schicken mit 617 Sportlern das größte Team ins Rennen. Ihnen gehören oft auch die Sympathien der Fans aus anderen Nationen, denn sie verstehen es bestens, ihre Ureinwohner mit einzubeziehen. Cathy Freemann, eine Aborigine, wird zur Symbolfigur auserkoren, darf beim feierlichen Eröffnungszeremoniell das olympische Feuer entzünden. Als die grazile Läuferin dann auch noch die Goldmedaille über 400 Meter gewinnt, ist die Rührgeschichte perfekt und der innenpolitische Konflikt mit den Ureinwohner vorübergehend aus der Welt.
Deutschland schickt 422 Sportler auf die andere Seite des Erdballs, das an Zahlen viertstärkste Team. Mit 13 Olympiasiegen landet man auf Platz fünf im Nationen-Klassement hinter den USA (37), Russland (32), China (28) und den Gastgebern (16). Die Deutschen gewöhnen sich langsam daran, nicht mehr die ganz große Nummer im Weltsport zu sein. Frankreich und Italien haben ebenso viele Olympiasieger in ihren Reihen.
Umso mehr kann man sich zwischen Flensburg und dem Bodensee über Überraschungen freuen. Eine davon gelingt dem Erfurter Nils Schumann, der in der Leichtathletik die sieggewohnten Afrikaner auf den 800 Metern überspurtet. Aber hierzulande ärgert man sich auch um so mehr über nicht wahr werdende Träume. Zum Beispiel bei den Schwimmern, bei denen einzig der Chemnitzer Stev Theloke für eine Einzel-Medaille sorgt (Bronze über 100 m Rücken) und man ansonsten mit zwei dritten Rängen in den Lagenstaffeln vorlieb nehmen muss. Andere springen ein. In Robert Bartko geht ein neuer Bahnradsport-Stern auf. Der für Berlin startende gebürtige Potsdamer avanciert gleich zum Doppel-Olympiasieger. Auch Kanu-Königin Birgit Fischer, die leider nicht mehr für Potsdam startet, schlägt wieder zweimal auf der Regattastrecke in Penrith zu, hat damit bereits insgesamt sieben olympische Goldmedaillen und einen Platz in den Geschichtsbüchern des Sports sowie ihrer Heimatstadt Brandenburg sicher.
Für Potsdam greifen noch acht Aktive ins Geschehen ein, und das sind ausnahmslos Wassersportler. Katrin Wagner, ebenfalls gebürtige Brandenburgerin, erpaddelt sich zusammen mit Birgit Fischer ihre ersten zwei Goldplaketten. Manuela Mucke wird mit ihrem Platz im Goldvierer für die knapp entgangene Medaille im Einer entschädigt. Endlich gefunden hat sich das Duo Tim Wieskötter vom OSC Potsdam und der gerade 18jährige Ronald Rauhe aus Berlin. Sie beginnen in Sydney mit einer Bronzemedaille in eine langjährige Siegesserie.
Die Potsdamer Ruder-Delegation besteht nur noch aus drei Frauen, aber das sind ganz besondere Könnerinnen ihres Metiers. Vornweg erneut Kathrin Boron, die sich im Doppelzweier zusammen mit der Hallenserin Jana Thieme zum dritten Male den olympischen Titel sichert. Und da sind die Zwillinge Manja und Kerstin Kowalski, zwei Ur-Potsdamerinnen aus dem Ortsteil Babelsberg, die den Frauen-Doppelvierer als erste über die Ziellinie treiben.
Und was ist aus der Potsdamer Leichtathletik geworden? Na immerhin sieht man noch ein paar Ehemalige für andere Vereine an den Start gehen. Und man sieht einen mehrfachen olympischen Medaillengewinner und Weltmeister als Trainer wieder. Allerdings nicht mit deutschem Adler auf dem Ärmel. Ronald Weigel, der großartige Geher vergangener Tage, betreut als Nationaltrainer die Asse der gastgebenden Australier um deren Idol Kerry Saxby.
Potsdamer Olympiateilnehmer 2000 in Sydney:
Kanurennsport:
- Tim Wieskötter - Zweier-Kajak, 500 Meter: Bronze
- Manuela Mucke - Einer-Kajak 500 Meter: Platz vier; Vierer-Kajak, 500 Meter: Gold
- Katrin Wagner - Zweier-Kajak, 500 Meter: Gold; Vierer-Kajak, 500 Meter: Gold
- Marc Westphalen - Ersatzmann
Rudern:
- Kathrin Boron - Doppelzweier: Gold
- Manja Kowalski - Doppelvierer: Gold
- Kerstin Kowalski - Doppelvierer: Gold
Schwimmen:
- Jana Henke - 800 Meter Freistil: Platz 7
Fußball:
- Ariane Hingst - Frauenfußball: Bronze
Weitere Olympiastarter mit Bezug zu Potsdam:
Leichtathletik:
- Jirka Arndt - 5000 Meter: Platz 8
- Damian Kallabis - 3000 Meter Hindernis: Platz 15
- Beate Anders-Gummelt - 20 Kilometer Gehen: Platz 19
- Katrin Boyde - 20 Kilometer Gehen: ausgeschieden
Radsport:
- Robert Bartko - 4000 Meter Verfolgung: Gold; 4000 Meter Team-Verfolgung Gold
Judo:
- Sandra Köppen - Klasse +78 kg: Platz 5
Rudern:
- Jekaterina Karsten - Einer: Gold
- Katrin Stomporowski - Einer: Bronze
- Detlef Kirchhoff - Doppelzweier: Platz 9
- Ike Landvoigt - Doppelvierer: Platz 11
Segeln:
- Ingo Borkowski - Soling: Silber
Schwimmen:
- Britta Steffen - 4mal 100 Meter Freistil: Platz 4; 4mal 200 Meter Freistil - Bronze
Quelle: www.sports-reference.com, "Märkische Allgemeine Zeitung"