Ein Bollwerk gegen das Vergessen

17. März 2013

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

am 21. März jährt sich zum 80. Mal der ebenso oft zitierte wie berüchtigte „Tag von Potsdam". Mit diesem Tag im schrecklichen deutschen Schicksalsjahr 1933 findet Potsdam seinen traurigen Platz in der Weltgeschichte. Und dieser Tag verbindet daher bis heute die Historie unserer Landeshauptstadt mit den dunkelsten Kapiteln deutscher Geschichte auf überaus schmerzhafte Weise.

Der Tag von Potsdam bedeutete den Schulterschluss der preußisch-militaristischen „Kaisertreuen" mit dem nationalsozialistischen Mob. Die Nazis versuchten einen revisionistischen, vaterländischen „Geist von Potsdam" herauf zu beschwören und ihn dem von ihnen verachteten demokratischen „Geist von Weimar" entgegen zu stellen. Erstmals traten an diesem Tag in der alten Garnisonsstadt Potsdam die Reichswehr gemeinsam mit Abteilungen des Stahlhelms, der SA und der SS auf. Ein fürchterliches Fanal für die Schrecken, die da noch kommen würden.

Es war zum einen die perfekte Inszenierung dieses Tages und zum anderen das, was der Direktor des Zentrums für Zeithistorische Forschung, Martin Sabrow, „eine mythische Kraft" in der Erinnerung einer Mehrheit der damaligen deutschen Bevölkerung nannte, was diesen Tag von Potsdam so bedeutungsschwer macht.

Dabei war die Wahl der Garnisonkirche eher eine zufällige. Nach dem Brand des Reichstages Im Januar 33 und bevor die Krolloper Stätte von Reichstagssitzungen wurde, hatte das neue Kabinett zunächst das Potsdamer Stadtschloss als Veranstaltungsort ausgewählt. Erst als seitens der Potsdamer Schlösserverwaltung kein passender Veranstaltungsraum für 600 Abgeordnete gefunden wurde, kam die Garnisonkirche ins Gespräch. Hitler - zu diesem frühen Zeitpunkt noch an einer Annäherung an das national-konservative Lager interessiert - sagte zur Überraschung vieler zu.

Nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs, nach mehr als zwölf Jahren Terror, Unterdrückung und Massenmord während des 3. Reiches, führte der „Tag von Potsdam" etwas verschämt ein Schattendasein in den Annalen der Stadt. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, diesen Tag aus dem Schlagschatten der Geschichte herauszuholen und zu untersuchen, welche Lehren wir aus diesem Tag ziehen können. Hierzu bieten wir in dieser Woche eine ganze Reihe an Veranstaltungen an.

Am Dienstag erinnern wir gemeinsam mit Landtagspräsident Gunter Fritsch, Ministerpräsident Matthias Platzeck und dem Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung Peter Schüler an den Politiker Otto Braun. Er war Sozialdemokrat, Preußischer Ministerpräsident und überzeugter Demokrat. Er baute mit seinen Innenministern Carl Severing und Albert Grzesinki das republikanische Bollwerk Preußen gegen die Feinde der Demokratie im Deutschen Reich auf. Sein Wirken ist wesentlicher Bestandteil unserer Tradition von Demokratie.

Am Vorabend des 21. März werden wir auf einem Demokratiespaziergang die drei Kirchen besuchen, die am Tag von Potsdam eine wichtige und sicher nicht ganz unproblematische Rolle gespielt haben. Wir starten um 19 Uhr vor der Katholischen Probsteikirche St. Peter und Paul, gehen dann zur evangelischen Nikolaikirche auf dem Alten Markt und enden schließlich vor der Kapelle an der Garnisonkirche.

Am Abend des 80. Jahrestages findet im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte eine Diskussionsrunde über die „Zwei Gesichter einer Stadt" im Spannungsfeld zwischen dem Potsdamer Toleranzedikt und dem Tag von Potsdam statt. Ich freue mich sehr, dass wir Rabbiner Professor Walter Homolka und den Historiker Thomas Wernicke für diese spannende Veranstaltung gewinnen konnten.

Wir haben unter dem Titel „Im Schatten des Datums" zum Tag von Potsdam zahlreiche Veranstaltungen zusammengestellt, Sie können sich die Informationen auf unserer Potsdam.de-Seite anschauen. Ich wünsche mir natürlich, dass möglichst viele Potsdamerinnen und Potsdamer zu den zahlreichen Veranstaltungen in dieser Woche kommen werden. Denn heute sind es die Bürgerinnen und Bürger selbst, die gegen neue Bedrohungen von rechts außen zusammen stehen, die in den nächsten Monaten gemeinsam mit uns Perspektiven einer städtischen Gedenkkultur entwickeln und die wehrhaft allen Angriffen auf unsere gelebte Demokratie trotzen werden.

Seien Sie ein Bollwerk gegen das Vergessen!

 

Ihr

Jann Jakobs



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