Pressemitteilung Nr. 430 vom 26.09.2023 Potsdams Gleichstellungsbeauftragte: „Sexuelle Selbstbestimmung entscheidet sich vor Ort“ | Safe Abortion Day am 28. September

Social Media Grafik Schwanger und nun?
© Landeshauptstadt Potsdam

Anlässlich des Internationalen Tags des sicheren Schwangerschaftsabbruchs ‚Safe Abortion Day‘ solidarisieren sich die Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Potsdam, Claudia Sprengel, das Autonome Frauenzentrum Potsdam e.V. und der Frauenpolitische Rat Brandenburg mit der internationalen Bewegung, die sich für eine Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzt. 

„Der Kampf für sexuelle Selbstbestimmung von Frauen wird überall auf der Welt in verschiedener Weise geführt. Er geht uns aber ganz konkret hier vor Ort an“, erklärt Claudia Sprengel. „Potsdam ist mit fünf Beratungsstellen gut aufgestellt, dennoch sehen wir weiterhin, dass schon die Information über Beratungsangebote und über Ärzt*innen, die den Abbruch vornehmen, eine Hürde darstellt. Wir wollen mit Informationsmaterial für die Praxen und Anlaufstellen versuchen, diese Hürde zu minimieren. Gegen die Hindernisse, die das Bundesrecht stellt, können wir am Safe Abortion Day allerdings nur demonstrieren. Es hat sicher einen Grund, warum es laut Bundesärztekammer nur sechs niedergelassene Ärzt*innen in Potsdam gibt, die einen Abbruch durchführen. Davon führen nur drei nach der 9. Schwangerschaftswoche eine Operation durch, bei den zeitlichen Abläufen der gesetzlich vorgeschriebenen Beratung ist das allzu oft der Fall. Die Versorgung vor Ort, barrierefrei und für alle vulnerablen Gruppen zugänglich zu gestalten, sollte Maßgabe sein, denn sexuelle Selbstbestimmung beginnt vor Ort!“ 

In Deutschland haben Schwangere einen Rechtsanspruch auf umgehende Beratung, auf Wunsch auch anonym. Die Praxis ist allerdings, dass Beratungsangebote gekürzt werden und so Termine nicht immer zeitnah oder mit freier Trägerwahl erfolgen können. Die danach folgende Frist bis zu einem möglichen Abbruchtermin, ebenfalls nicht immer verfügbar, erschwert das Prozedere. 

„Der Weg zum Schwangerschaftsabbruch gestaltet sich für Frauen* wie ein Hindernislauf. Die Frage ist warum man Frauen so wenig vertraut über ihren eigenen Körper entscheiden zu können, dass es verordnete Beratung und Bedenkfristen gibt“, beschreibt es die Potsdamer Gleichstellungsbeauftragte Sprengel. 

Am Vorabend des Safe abortion days findet am 27. September in Kooperation mit dem Autonomen Frauenzentrum e.V. eine Filmvorführung im Thalia statt: Ab 18:00 Uhr wird der Fernsehfilm ‚Aufbruch in die Freiheit‘ gezeigt. Dieser erzählt die Geschichte der Erika Gerlach, einer der mutigen Frauen, die sich 1971 in der Stern Titelgeschichte „Wir haben abgetrieben“ zum Schwangerschaftsabbruch bekannt haben – was damals in der Bundesrepublik illegal war. Als Folge dieser und weiterer öffentlicher Demonstrationen wurde das Abtreibungsrecht 1976 insofern reformiert, als dass ein Abbruch innerhalb der ersten 12 Wochen mit Beratung und Bedenkzeit straffrei bleibt. Diese Regelung wurde bei der Wiedervereinigung übernommen und löste die liberalere Fristenlösung der DDR ab. 

Über die Situation von Schwangeren heute, ihr Selbstbestimmungsrecht und die Situation der Beratungsstellen in Potsdam und Brandenburg diskutieren im Anschluss an den Film: Michaela Burkard (Frauenzentrum Potsdam), Corinna Kmezik (Beratungsstelle für Schwangerschaft, Familienplanung und Sexualität des DRK). Claudia Sprengel (Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Potsdam) begrüßt zur Veranstaltung. 

„Auch, wenn es in der Öffentlichen Wahrnehmung oft anders erscheint: Schwangerschaftsabbruch ist laut §218 StGB in Deutschland bis heute verboten; die Tat gilt nach Beratung und Bedenkzeit nur als „nicht verwirklicht“. Solange Schwangerschaftsabbrüche aber in einer rechtlichen Grauzone sind, bleibt das Tabu bestehen, können Frauen eine flächendeckende Versorgung mit Arztpraxen nur schwer einfordern“, so Michaela Burkard vom Autonomen Frauenzentrum. 

Obwohl die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in Brandenburg im Vergleich zum Vorjahr gesunken ist, wäre es ein Fehlschluss anzunehmen, dass dies ein Zeichen für geringere Nachfrage wäre. In Berlin steigen die Zahlen parallel dazu. Dies zeigt, dass fehlende Angebote in Brandenburg dort kompensiert werden. „Das Land muss sich seiner Aufgabe, die kritische Infrastruktur für Beratungen und Schwangerschaftsabbrüche flächendeckend zu halten, bewusst sein. Der Zugang zu niedrigschwelligen Informationen für ungewollt Schwangere muss im Land und den Kommunen gewährleistet werden“, erklärt Jana Dornfeld vom Frauenpolitischen Rat Land Brandenburg e.V. „Es bedarf finanzieller und rechtlicher Sicherheiten für Beratungsstellen und durchführende Kliniken. Zudem brauchen wir qualifiziertes Fachpersonal. Schwangerschaftsabbrüche müssen verstärkt zum Gegenstand der gynäkologischen Fachärzt*innenausbildung gemacht werden, um einer mangelhaften medizinischen Versorgung vorzubeugen“.

Der internationale Safe Abortion Day wurde erstmals im Jahr 1990 in Teilen Südamerikas begangen und hat von seiner Relevanz leider nichts verloren: Wir sehen zum Beispiel in unserem Nachbarland Polen, dass nach der Einführung eines der strengsten Anti-Abtreibungsgesetzte in Europa mehrere Frauen ums Leben gekommen sind.

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