16. Juni 2013
Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,
es war ein langer und steiniger Weg. Aber die Menschen sind ihn gegangen, mit einem ersten Schritt: am 17. Juni 1953. Dieser Weg führt aus heutiger Sicht auf langen, schwierigen Pfaden zu den Montagsdemonstrationen im Herbst 1989. Der Volksaufstand am 17. Juni war der Anfang vom Ende der DDR.
Am Montag vor 60 Jahren stellten sich die Menschen in Berlin, Brandenburg/Havel, Hennigsdorf und auch in Potsdam gegen Unterdrückung, Willkür, Unfreiheit und ungerechtfertigten Leistungsdruck. Es war ein Aufstand gegen die herrschende Macht. Dem wollen wir am Monat auch in Potsdam, in der Gedenkstätte Lindenstraße gedenken - an dem Ort, an dem am 17. Juni 1953 mehr als 200 Menschen wegen ihres Widerstandes inhaftiert wurden.
Einer von ihnen war Karl-Heinz Pahling, der als 26-jähriger in Niemegk am 17. Juni 1953 zum Streikführer gewählt wird und sich eine Woche lang dem Zugriff der Staatssicherheit entzieht, ehe er am 25. Juni in das Potsdamer Stasi-Gefängnis verbracht wird. Das Potsdamer Bezirksgericht unter dem Vorsitz des Oberrichters Wohlgetan verurteilt Pahling unter anderem wegen "Boykotthetze gegen demokratische Einrichtungen" zu einer Zuchthausstrafe von zehn Jahren, die er sieben Jahre lang im Zuchthaus Brandenburg verbüßen musste. Nach seiner Entlassung musste Pahling wie viele andere Bürgerinnen und Bürger der ehemaligen DDR noch lange Jahre auf Freiheit und Selbstbestimmung warten.
Bis zur Wiedervereinigung erinnerte der 17. Juni alljährlich an die schmerzhafte Teilung Deutschlands. Vor allem im Westen erinnerte er an den unbändigen Willen der Deutschen in der DDR, sich gegen ungerechte Herrschaft, Unterdrückung und Willkür zu erheben. Er war ein Zeichen der Hoffnung, die Teilung eines Tages zu überwinden.
In Potsdam wird im VEB Lokomotivbau Karl Marx in Babelsberg am 17. und 18. Juni gestreikt, auch im Reichsbahn-Ausbesserungswerk legen Beschäftigte ihre Arbeit nieder. Die Stimmung in der Stadt ist gespannt, die sowjetischen Besatzungstruppen verhängen in den Abendstunden des 17. Juni den Ausnahmezustand über die Stadt. Um den Streik im Karl-Marx Werk zu beenden, schickt die Partei das SED-Politbüro-Mitglied Erich Honecker, begleitet von Volkspolizisten und sowjetischen Soldaten in die Lokomotivfabrik nach Babelsberg.
Die Fabrik wird von der sowjetischen Armee und der deutschen Volkspolizei besetzt. Es gelingt unter diesen Umständen, dass die Arbeiter ihre Arbeit wiederaufnehmen. Die Potsdamer "Rädelsführer", auch aus dem Potsdamer Reichsbahnausbesserungswerk, werden festgenommen und in das Stasi-Gefängnis überstellt.
60 Jahre danach gedenken wir den mutigen Männern und Frauen, die gegen Unterdrückung auf die Straße gegangen sind. Ihr Mut ist unsere Erinnerung. Sie sind ein Vorbild für uns - im Kampf für Freiheit und Gerechtigkeit. Wir werden ihnen ein ehrendes Andenken zuteil werden lassen.
In der laufenden Diskussion über die Gedenkkonzeption in der Landeshauptstadt, deren zweite Runde in der vergangenen Woche über die Bühne gegangen ist, ist das Wie bereits ein Thema. Der 17. Juni 1953 gehört ebenso wie andere wichtige Ereignisse zu den wichtigen historischen Momenten in Potsdam, die bis heute auf unser Zusammenleben ausstrahlen.
Ihr
Jann Jakobs
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