Kolumne der Woche: Aus dem Dunkeln in das Helle

Oberbürgermeister Jann Jakobs
© Oberbürgermeister Jann Jakobs
Oberbürgermeister Jann Jakobs

4. November 2018

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

wir gedenken in diesem Jahr am 80. Jahrestag der Reichspogromnacht am kommenden Freitag in einer ganz besonderen Weise. Denn als in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 im damaligen Deutschen Reich mehr als 1400 Synagogen, Betstuben und Versammlungsräume in Flammen aufgingen oder mit brachialer Gewalt verwüstet und geplündert wurden, war auch die Potsdamer Synagoge Ziel des Terrors.

Deshalb beginnt auch dieses Jahr unsere Erinnerungsveranstaltung am Ort der alten Synagoge am Platz der Einheit, von der kein Stein, nur die Erinnerung geblieben ist. Doch in diesem Jahr gehen wir hin zur neuen Synagoge, die hier entstehen wird. Wir möchten von der dunklen Vergangenheit aus in eine hellere Zukunft blicken. Ich bin dankbar, dass nach der völligen Auslöschung der jüdischen Gemeinde während des Nationalsozialismus heute wieder jüdisches Leben unsere Stadt in vielfältiger Weise bereichert. Jüdisches Leben braucht einen Ort. Ein Haus der Versammlung, der Begegnung, des Studiums, ein Haus des Gebets. Und da sind wir einen wesentlichen Schritt weitergekommen.

Doch der Weg zur Realisierung dieses für Potsdam eminent wichtigen Projektes war und bleibt schwierig. Er lohnt sich allemal. Die neue Synagoge wird das jüdische Leben wieder sichtbarer machen für alle. So sichtbar und integriert im Stadtgefüge, wie es die alte Synagoge am heutigen Platz der Einheit war.

An jenem Tag vor 80 Jahren warf das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte, verübt von Deutschen an Deutschen und anderen Völkern seine Schatten voraus und die NS-Diktatur zeigte ihre ganze Abscheulichkeit erstmals wirklich in dieser Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Natürlich gab es schon vorher Unterdrückung, Ausgrenzung und Terror gegen Juden und alle, die nicht ins Weltbild der Nazis passten, natürlich brannten schon 1933 die Bücher. Doch jetzt brannten Glaubenshäuser, bald würden Menschen brennen.  

Die Bilder der zerstörten und geschändeten Synagogen haben sich in unser kollektives Gedächtnis eingeprägt. Eine gaffende, schaulustige, neugierige und unbeteiligt wirkende Menschenmenge steht vis-a-vis der zerstörten Gotteshäuser. Das gab es auch in Potsdam, wo der Fotograf Hans Weber dieses unerhörte Ereignis festhielt. Die Erinnerung daran darf uns niemals verlassen und muss Ansporn sein, jüdisches Leben in der Landeshauptstadt weiter blühen und gedeihen zu lassen.

Deshalb ist es mir auch so wichtig, wenn am kommenden Freitag viele Potsdamerinnen und Potsdamer zum Baufeld für eine neue Synagoge kommen. Wir dürfen unsere Vergangenheit nicht außer Acht lassen. Denn die Geschichte muss uns lehren, achtsam zu sein. Fremdenhass und Fremdenfeindlichkeit sind Keime, die immer wieder aufzublühen drohen. Dagegen gilt es von Anfang an und mit aller Entschlossenheit entgegenzuwirken. Nur so schaffen wir die Grundlage dafür, dass die neue Synagoge dauerhaft das sein kann, was die alte, 1903 damals neue nur wenige Jahre sein durfte: Ein Haus des Friedens, in dem Gott gesucht und verehrt werden kann.

Ich würde mich freuen, wenn Sie uns am 9. November begleiten.

Ihr

Jann Jakobs