Potsdamer Olympioniken, Teil 20
2022 Peking
Text von Horst Sperfeld
Ginge es nach den Wünschen der „Erfinder“ der Olympischen Spiele der Neuzeit, gäbe es keine Winterspiele. Pierre de Coubertin, der französische Baron mit dem Hang zur Antike und daraus folgend der Motor des weltweiten sportlichen Wettstreits unter den fünf die Kontinente symbolisierenden Ringen, hatte für das Nein zum Winter ein schlagendes Argument: Im alten Griechenland, in dem das Vorbild dieses Spektakels ausgetragen worden war, gab es schließlich auch keine Wettbewerbe in Eis und Schnee. So fand lediglich Eislaufen (Kunst- und Schnell-) den Eingang ins vom olympischen Gründungskongress festgelegten, ersten Programms der angedachten Welt-Spiele der Jugend. Doch selbst das fehlte zur Premiere 1896 in Athen, weil die Griechen sich damals noch nicht in der Lage sahen, eine künstliche Eisbahn anzulegen. Auch in Paris 1904 und St. Louis 1908 machte man sich aus Kostengründen und wenigen zu erwartenden Wettkämpfern noch nicht die Mühe. Allerdings gab es seinerzeit schon internationale Wintersportspiele unter dem Titel Nordische Wettbewerbe, für die sich ein schwedisches Mitglied des ersten Olympischen Komitees mit Namen Viktor Balck engagierte.
Ernsthaft in Angriff genommen wurde der separate Winter seit 1908. Allerdings stand damals auch im Londoner Herbst als zweitägiger „Nachschlag“ für die eigentlichen Sommerspiele neben einigen Mannschaftssportarten nur das Eiskunstlaufen im Programm. London war seinerzeit ohnehin für Rom eingesprungen und hatte die Spiele in eine gemeinsam mit den Franzosen veranstaltete Mega-Ausstellung eingebaut. Zu den ersten Siegern auf dem Eis zählten übrigens ein gewisser Ulrich Salchow, nach dem später ein Sprungelement benannt wurde, und das deutsche Kunstlaufpaar Annie Hübner/Heinrich Burgner. Die Potsdamer Geschichte bei Olympischen Winterspielen begann bei den ersten tatsächlich ausgetragenen Spielen 1920 in Antwerpen, wo der einst in unserer Stadt lebende und auf dem Bornstädter See trainierende Schwede Gillis Grafström die Herrenkonkurrenz dominierte (siehe Potsdamer Olympioniken, Folge 1). Winterspiele wurden nun örtlich und zeitlich extern im Hinblick auf die ursprünglichen Sommerspiele gelegt. Im Jahre 1982 hatte man auf einer Session des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) beschlossen, die Winterspiele noch mehr von denen im Sommer zu trennen und sie im Abstand einer eigenen Olympiade, einem Zeitraum von vier Jahren, auszurichten. Seit 1992 Lillehammer laufen sie nun zwei Jahre hinter (oder vor) den Sommerspielen ab.
2022 nun war Peking Ausrichter der inzwischen auf 14 Sportarten mit 109 Wettbewerben gewachsenen XXIV. Olympischen Winterspiele. Die Hauptstadt der Volksrepublik China war neben der kasachischen Großstadt Almaty die einzige Bewerberin, über die die Delegierten der 128. IOC-Sitzung am 31. Juli 2015 in Kuala Lumpur abzustimmen hatten und dabei nur knapp den Chinesen den Vorzug gaben. Das war aus mehreren Gründen erstaunlich. Die Metropole des Reiches der Mitte hatte 2008 erst die Sommerspiele ausgerichtet und galt nicht gerade als ein Mekka des Wintersports. Zudem stand die chinesische Führung weltweit immer wieder wegen Verletzungen der Menschenrechte in der Kritik, weswegen später auch den Globus umspannende Boykottdrohungen im Raum standen. Dass China auch noch die Verantwortung für die damals grassierende Corona-Pandemie zugeschrieben wurde, spielte natürlich bei der Entscheidung im Jahre 2015 noch keine Rolle, während der Spiele schon.
Das Winterspektakel an sich wurde ein Erfolg, auch weil die Staatsführung viel in dieses Prestige trächtige Weltereignis investierte. Man baute phantastische Wettkampfstätten und nutzte einige ohnehin vom Sommer 2008 erhaltene Arenen und Bauten. Herausragend der Eiskanal für die Rodler und Rodlerinnen, die Bob- und Skeleton-Fahrer und -Fahrerinnen, die Anlagen für die nordischen Skiwettbewerbe mit den bombastischen Sprungschanzen und erneut das Olympiastadion, in dem glanzvolle Eröffnungs- und Abschlussveranstaltungen zelebriert wurden. Allerdings gab es durch die noch immer nicht abgeebbte Corona-Seuche viele Probleme für Zuschauer, Touristen und Journalisten. Auch die Fernsehübertragungen nach Europa und speziell nach Deutschland waren erst kurz vor dem Auftakt geklärt.
Dass Peking gewissermaßen den Startschuss für einen die Welt bedrohenden Krieg mitten in Europa gab, hätte sich der normale Sport-Fan nicht träumen lassen. Vier Tage nach dem Abschluss der Winterspiele im Zeichen des Friedens startete Russland seinen militärischen Angriff auf die Ukraine. Der russische Präsident Wladimir Putin war im Rahmen der Olympischen Winterspiele zu Xi Jinping, dem chinesischen Führer, gereist. Ob Beide über den Beginn des Überfalls auf die Ukraine geredet haben, ist nicht überliefert, von westlichen Medien (New York Times) jedoch behauptet. Vermeintliche Absprachen solcher Art wiesen sowohl die Chinesen wie auch die Russen entschieden zurück. Die Spiele dauerten vom 4. bis zum 20. Februar, die Invasion im Osten der Ukraine begann am 24. Februar.
Insgesamt gingen auf den Wettkampfstätten unweit der Chinesischen Mauer 1692 Sportler aus 50 Ländern an den Start. Deutschland schickte 149 Athleten und stellte damit die viertstärkste Delegation hinter den USA (223), Kanada (211) und den Gastgebern (171). Am erfolgreichsten aber war die 88-köpfige Mannschaft aus Norwegen mit 16 Goldmedaillen, 8 silbernen und 13 aus Bronze. Deutschland folgte in der Nationenwertung bereits auf Platz zwei (12/10/5), China auf drei (9/4/2). Russland, das offiziell nicht teilnehmen durfte und dennoch durch 202 unter neutraler Fahne antretende Sportler vertreten war, kam auf Platz 9 (5/7/2). Erfolgreichster Einzelstarter war der Norweger Johannes Thingnes Boe, der im Biathlon vier Goldmedaillen und eine bronzene gewann. Fünf Medaillen eroberte ebenso seine Biathlon-Mannschaftsgefährtin Marte Olsbue Roiseland (3/-/2). Dem gleich tat es der unter neutraler Flagge startende Skilangläufer Alexander Bolschunow (3/1/1).
Brandenburg stellte bei vorherigen Spielen oft erfolgreiche Bobsportler, die zumeist als Leichtathleten in Potsdam ihre Sportler-Karriere begannen. Zu Legenden in ihrem Metier wurden einst Ex-Speerwerfer Meinhard Nehmer (zweimal Gold 1976 als Pilot) oder Kevin Kuske, der es auf vier Olympiasiege als Anschieber brachte. Letzterer betreute nach seiner aktiven Zeit zahlreiche Bobsportler nicht nur aus Brandenburg im Potsdamer Luftschiffhafen. In Peking starteten für unser Bundesland lediglich zwei Damen im Eiskanal. Deborah Levi, einst Sprinterin in Wiesbaden, gab dem von der Winterbergerin Laura Nolte gesteuerten Zweier den richtigen Schub zu Gold. Lisa Buckwitz, ebenfalls im Zweier startend, belegte hinter Pilotin Kim Kalicki aus Wiesbaden sitzend Platz vier. Buckwitz war vier Jahre zuvor in Pyeongchang Olympiasiegerin zusammen mit Mariama Jamanka geworden. Die Berlinerin Jamanka, die damals für den SC Potsdam startete, gewann diesmal in Peking Silber.
Brandenburger Olympiateilnehmer 2022 in Peking:
Bobsport
Deborah Levi im Zweierbob: Gold
Lisa Marie Buckwitz im Zweierbob: Platz vier
Starterinnen mit Brandenburger Bezug:
Mariama Jamanka im Zweierbob: Silber
(Die Berlinerin Jamanka fuhr 2018 noch für den SC Potsdam zu Gold)