Geschichten über Potsdamer Olympioniken: Ein großer Potsdamer Fahnenträger

Die Kanuten sind die Überflieger im starken deutschen Team

Text: Horst Sperfeld

Potsdamer Olympioniken, Teil 17

Rio de Janeiro 2016

Usain Bolt und Michael Phelps. Das sind zwei Namen, die die olympische Welt über fast zwei Jahrzehnte dominierten. Bolt, der Ausnahmesprinter, drückte 2016 mit drei dominanten Rennen zum dritten Male den Weltsportspielen seinen spektakulären Stempel auf. In einem gedämpfteren Glanz als der nun neunfache Leichtathletik-Olympiasieger aus Jamaika, dafür aber mit einer noch weit größeren Ausbeute erstrahlte Phelps. Der US-amerikanische Schwimmstar vergrößerte seinen goldenen Medaillenstrauß bei seinen nun schon fünften Spielen auf insgesamt 23 Blüten. Aus Brandenburger Sicht ist man geneigt, hier noch einen Namen hinzuzufügen: Sebastian Brendel. Nicht nur dass der Kanute anders als andere deutsche Teamgefährten auf die Minute topfit war und nach 2012 in London auch in Rio seinen Canadier souverän als erster über die Ziellinie paddelte. Der gebürtige Schwedter vom Kanuclub Potsdam schaffte mit seinem Partner Jan Vandrey das seltene Kunststück, auch im Zweier die kräftigsten, die "goldenen Stechpaddelzüge" durchs Wasser zu ziehen.

Die beiden Kanuten Sebastian Brendel und Jan Vandrey jubeln in ihrem Kanu.
© Sven Simon

Super Athleten, davon gab es viele. Doch sie stehen leider nicht allein als Synonym für die ersten Spiele auf südamerikanischem Boden. Die große Party litt viel mehr unter der noch nie so heftig geführten Doping-Debatte und dem aus vielerlei Gründen mangelnden Resonanz der brasilianischen Zuschauer.

Rio, das bedeutet im portugiesischen Fluss. Die pulsierende Stadt, in deren Dunstkreis rund 12 Millionen Menschen leben, kann sich allerdings gar nicht mit einem solchen Gewässer rühmen. Ihren Namen verdankt die einstige Heimat von verschiedenen Indianerstämmen dem Missverständnis der ersten hier anlandenden Europäer. Gaspar de Lemos, ein im Auftrag des portugiesischen Königs die Welt besegelnder Seefahrer, landete am 1. Januar 1502 in dieser malerischen Atlantik-Bucht und hielt das Terrain zunächst für eine Flussmündung. Er benannte sie entsprechend seiner Annahme und des Entdeckungsdatums Rio de Janeiro (Fluss des Januar).

Olympiasieger im Kanu Jan Vandrey und Sebastian Brendel jubeln mit ihrer Goldmedaille.
© Sven Simon

Dieses Fleckchen Erde wurde seit jenen Tagen im Mittelalter immer mehr zum Traumziel der Europäer und war deshalb des Öfteren vor allem von den Portugiesen und Franzosen umkämpft. Erstere hatten aber im Prinzip bis zur selbst ausgerufenen Unabhängigkeit Brasiliens im Jahre 1922 das Sagen und bezeichneten Rio de Janeiro zwischen 1808 und 1822 sogar als ihre Reichshauptstadt. Anlass dafür war die Flucht des portugiesischen Königshauses aus Lissabon vor dem angreifenden Napoleon.

Ein Traumziel der Europäer ist Rio bis heute geblieben. Die Stadt steht gemeinhin für Exotik, bunte Lebensfreude, ein atemberaubendes Temperament, einen schier unendlichen Sandstrand und ständig gutes Wetter. Dass dieser Schein trügt, hielt das Internationale Olympische Komitee (IOC) nicht davon ab, am 2. Oktober 2009 die Sommerspiele der XXXI. Olympiade der Neuzeit an den Fuß des Zuckerhuts und damit den potenteren Mitbewerbern Chicago, Tokio und Madrid einen Korb zu geben. Brasilien, hier vor allem Rio de Janeiro, hat große wirtschaftliche Probleme, leidet unter einer hohen Arbeitslosigkeits- und Kriminalitätsrate und unter der Korruption der herrschenden Elite. Das Leben ist gerade in dieser Hafenstadt geprägt von immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrückter Menschen. Letztere vegetieren zum großen Teil unter kaum vorstellbaren Bedingungen in den Favelas, den Armenvierteln. Eine olympische Folge waren die oft leeren Ränge bei den Sportspielen der Welt wegen der von diesen Menschen kaum bezahlbaren Eintrittskarten. Nur wenn die Cariocas, die Einheimischen, Sportler ihres Gastgeberlandes zu sehen bekamen, waren die Traversen besetzt und herrschte eine mitreißende, teilweise den Gästen gegenüber jedoch auch unsportliche Stimmung.

Im Vorfeld der Spiele kamen Beweise für vom Staat gelenktes Doping der russischen Sportler ans Tageslicht. Während daraufhin einige Fachverbände die russischen Sportler ihres Metiers sperrten, konnte sich das Internationale Olympische Komitee (IOC) unter dem Vorsitz des deutschen Präsidenten Thomas Bach nicht zu einer kollektiven Bestrafung aller Athleten aus dem größten Land der Welt durchringen. Die Folge waren Ausgrenzungen und Anfeindungen gegenüber den übrig gebliebenen 271 Aktiven dieses in der Geschichte Olympias so erfolgreichen Riesen. Einstigen Dopingsündern anderer Staaten, die ihre Strafen verbüßt hatten und in die Sportlerfamilie zurückgekehrt waren, blieben solche unwürdigen Attacken erspart. Positiv, dass das IOC der von einigen Kriegen und Flüchtlingsströmen geprägten politischen Weltlage mit der Förderung einer internationalen, wenn auch sportlich chancenlosen Flüchtlingsmannschaft ein Zeichen entgegen setzte. Negativ, dass sogar während der Spiele einer der obersten Funktionäre wegen vermeintlicher Eintrittskartenschiebereien verhaftet wurde. Jener Ire zeugte damit vom auch im IOC noch nicht ausgetrockneten Korruptionssumpf.

Deutschland schickte 449 Sportler ins Geschehen und erreichte nach anfänglicher Erfolgsflaute sowie zahlreicher geplatzter Hoffnungen dennoch das selbstgesteckte Ziel. Die 42 eroberten Medaillen, deren Summe sich aus 17 goldenen, 10 silbernen und 15 bronzenen Plaketten ergab, brachte Rang fünf in der  Nationenwertung. Vorn platziert waren erneut die USA mit 121 Mal Edelmetall (46/37/38) vor Großbritannien mit 67 (27/23/17), China mit 70 (26/18/26) und der dezimierten Mannschaft aus Russland mit 56 (19/18/19) Plaketten. Aus Vereinen Brandenburgs kamen 26 Athleten sowie vier Ersatzleute. Der Name von Potsdamer Vereinen steht davon hinter 18 Aktiven Olympioniken. Einen Potsdamer Hintergrund hatten noch weitere Sportler oder Sportlerinnen wie zum Beispiel beim Frauenfußball, der Leichtathletik, beim Schießen oder dem Handball. In unsere Landeshauptstadt gingen viermal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze, womit die Vereine aus dem Umfeld des Olympiastützpunktes und der Elite-Sportschule im Luftschiffhafen einen erheblichen Teil zur deutschen Bilanz beisteuerten. Überragend wieder die Kanuten, die durch Sebastian Brendel, Jan Vandrey, Ronald Rauhe und Franziska Weber zweimal Gold, zweimal Silber und einmal Bronze einfuhren und damit eine Nationenwertung in ihrer Sportart ganz allein gewonnen hätten. Mit Hans Gruhne vom Ruderclub Potsdam, der in Rio im deutschen Doppelvierer der Männer den Schlag vor gab, wurde ein weiterer Wassersportler aus unserer Stadt zum Olympiasieger. Nicht zuletzt liefen im siegreichen deutschen Frauenfußball-Team mit Tabea Kemme und Svenja Huth zwei junge Damen vom 1. FFC Turbine Potsdam auf verschiedenen brasilianischen Rasenflächen auf.

Die Olympiasieger im Doppelvierer der Männer in Rio.
© Sven Simon

Der nicht nur wegen seiner Körpermaße überragende Mann in der ganzen deutschen Delegation war Canadier-Doppelsieger Sebastian Brendel. Er widmete seine Goldmedaille aus dem Einer-Rennen über die 1000 Meter dem in Rio bei einem Autounfall tödlich verunglückten Wildwasserkanu-Trainer Stefan Henze aus Halle. Nicht zuletzt diese Geste brachte Brendel auch die Ehre ein, bei der Abschlussfeier die deutsche Fahne ins Stadion tragen zu dürfen. Der Schwedter Recke erinnerte mit seinen beiden Erfolgen - wenn auch sicher unbewusst - zudem an den Beginn der Potsdamer Siegesserie in der olympischen Geschichte. Wie er war auch der erste Olympiasieger unserer Stadt ein Canadier-Solist. Jürgen Eschert paddelte 1964 in Tokio zu Gold. Brendel und sein Vorbild Eschert wollen nun in vier Jahren gemeinsam nach Tokio fliegen, wenn die Olympischen Spiele in die Hauptstadt des Landes der aufgehenden Sonne zurückkehren.

Potsdamer Olympiateilnehmer 2016 in Rio de Janeiro

Leichtathletik

  • Christopher Linke - 20 km Gehen: Platz 5
  • Nils Brembach - 20 km Gehen: Platz 38
  • Hagen Pohle - 50 km Gehen: aufgegeben

Kanurennsport

  • Sebastian Brendel - Einer-Canadier, 1000 m: Gold
  • Sebastian Brendel - Zweier-Canadier, 1000 m: Gold
  • Jan Vandrey - Zweier-Canadier, 1000 m: Gold
  • Ronald Rauhe - Einer-Kajak, 200 m: Bronze
  • Ronald Rauhe - Zweier-Kajak, 200 m: Platz 5
  • Stefan Kiraj - Einer-Canadier, 200 m: Platz 5 im Vorlauf
  • Franziska Weber - Einer-Kajak, 500 m: Platz 5
  • Franziska Weber - Zweier-Kajak, 500 m: Silber
  • Franziska Weber - Vierer-Kajak, 500 m: Silber
  • Conny Waßmuth - Einer-Kajak, 200 m:  Halbfinale

Rudern

  • Hans Gruhne - Doppelvierer: Gold

Moderner Fünfkampf

  • Patrick Dogue - Einzel: Platz 6
  • Christian Zillekens - Einzel: Platz 21
  • Janine Kohlmann - Einzel: Ersatz

Schwimmen

  • Christian Diener - 200 m Rücken: Platz 7
  • Johannes Hintze - 400 m Lagen: Vorlauf

Triathlon

  • Laura Lindemann - Damen-Einzel: Platz 28

Frauen-Fußball

  • Tabea Kemme - Deutschland: Gold
  • Svenja Huth - Deutschland: Gold


Weitere Olympiateilnehmer mit einem Bezug zu Potsdam

Frauen-Fußball

  • Anja Mittag (einst Turbine Potsdam): Gold
  • Babette Peter (einst Turbine Potsdam): Gold
  • Josephine Henning (einst Turbine Potsdam): Gold
  • Isabel Kerschowski (einst Turbine Potsdam): Gold

Handball

  • Fabian Wiede (einst VfL Potsdam): Silber

Schießen

  • Ralf Buchheim (Wohnort Potsdam) - Skeet: Platz 23