Der gebürtige Potsdamer und Regionalhistoriker Dr. Klaus Arlt gibt einen Abriss zur Geschichte der Wissenschaft in Potsdam.
Bereits vor der Wende widmete sich der Heimatforscher historischen Themen und schrieb viele heimatgeschichtliche Beiträge und hielt Vorträge auch über geschichtswissenschaftliche Themen. Einige seiner Publikationen zur Potsdamer Geschichte zählen längst zur Standardliteratur.
Für die Popularisierung von Wissenschaft bekam er im Jahre 2006 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Mit diesem hohen Orden wurde zugleich sein ehrenamtliches Wirken bei der Pflege des historischen und kulturellen Erbes der Stadt und insbesondere sein Engagement für die Erforschung der Geschichte der jüdischen Bevölkerung Potsdams gewürdigt.
Dr. Arlt erhielt 2009 den Wilhelm-Foerster-Preis. Gemäß den Satzungszielen verleiht der Potsdamer URANIA-Verein jährlich den Wilhelm-Foerster-Preis an die im Land Brandenburg tätigen Wissenschaftler und Wissenschaftspublizisten, um sie zu einer möglichst umfassenden Popularisierung und Publizierung ihrer wissenschaftlichen Arbeit anzuregen.
Sein Engagement für die Regionalgeschichte wurde mit einem Eintrag ins Goldene Buch der Landeshauptstadt im Rahmen des Neujahrsempfanges des Oberbürgermeisters Jann Jakobs im Januar 2012 gewürdigt.
Da Dr. Arlt u.a. auch wichtige Beiträge zur Bedeutung Potsdamer Straßennamen veröffentlichte, kann der Bereich Öffentlichkeitsarbeit/Marketing der brandenburgischen Landeshauptstadt bei der Auswahl von historischen Persönlichkeiten, die in diesem Jahr in einem Wissenschaftsvideo portraitiert werden, auf dessen wertvolle Hinweise zurückgreifen.
Erste und nicht dauerhafte Gründungen im 18. und 19. Jahrhundert in Potsdam
Die 1776 in Berlin von Friedrich II. gegründete Ingenieurakademie zur Ausbildung von Spezialisten für Militär- und Staatsbauten wird 1787 nach Potsdam verlegt und war hier bis zur Schließung 1806 tätig.
Gründung der "Märkischen Ökonomischen Gesellschaft zu Potsdam" 1791 mit Versuchs- und Lehrtätigkeit zur Verbesserung der Agrarproduktion. Sitz war das Haus Jägerstraße 23, wo die Gesellschaft eine namhafte Bibliothek und wissenschaftliche Sammlungen hatte. 1844 ging sie als Teil des "Landwirtschaftlichen Provinzialvereins" nach Berlin.
Von 1839 bis 1857 betrieb Prof. Heinrich Berghaus am Brauhausberg die private "Geographische Kunstschule", wo u.a. Kartenmaterial für das Werk "Kosmos" von Alexander v. Humboldt entstand.
Wissenschaftsstandort Telegrafenberg – Wissenschaftspark "Albert Einstein“
1832 bis 1849 Standort einer Station der optisch-mechanischen Telegrafenlinie Berlin - Koblenz.
1874 beginnt die Tätigkeit des Astrophysikalischen Instituts, zunächst im Großen Militärwaisenhaus in Potsdam und an der Berliner Sternwarte. 1876 Baubeginn auf dem Telegrafenberg, 1878 sind der Bau des Astrophysikalischen Observatoriums Potsdam (AOP) und die zugehörigen Wohnbauten bezugsfertig.
Das Gebäude des Magnetischen Observatoriums zur Erforschung des Erdmagnetismus, erbaut ohne Eisenteile, ist 1890 fertig. Wegen der Zunahme von elektromagnetischen Störungen wich man 1908 an den Seddiner See aus und verlegte 1930 endgültig nach Niemegk.
Das 1847 in Berlin gegründete Meteorologische Institut wurde 1885 in ein Zentralinstitut für laufende Beobachtungen (Berlin) und ein Meteorologisches Observatorium für Forschungsarbeiten in Potsdam geteilt. Das Hauptgebäude in Potsdam wurde 1893 fertig, am 1. Januar 1893 begannen die Messungen auf dem heute noch betriebenen Messfeld (Säkularstation). 1946 kam das Observatorium zum Deutschen Wetterdienst, wurde Hauptwetterdienststelle und zog 1957 in Neubauten an der Michendorfer Chaussee (ab 1995 Regionalzentrale Potsdam des DWD). Das Gebäude wird heute vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) genutzt.
Das 1870 in Berlin gegründete Geodätische Institut erhielt 1892 ein neues Observatorium in Potsdam (Leitung Friedrich Robert Helmert). 1893 wurde der astronomisch-geodätische Turm (1920 heutige Form, 1924 Benennung nach F. R. Helmert) errichtet. Die am Geodätischen Institut erarbeitete Absolutbestimmung der Erdschwere wurde 1909 international anerkannt und galt bis 1970.
1901 wurde für den seismologischen Observatoriumsbetrieb ein Spezialbau, die Erdbebenwarte, errichtet.
In einem 1897/1899 errichteten Kuppelbau wurde 1899 in Anwesenheit Kaiser Wilhelms II. der Große Refraktor, das damals weltgrößte (heute: viertgrößte) Linsenfernrohr eingeweiht. Das Instrument wurde bis 1968 benutzt, steht seit 1983 unter Denkmalschutz und wurde, begleitet vom Förderverein Großer Refraktor e.V. restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
1924 begannen die Forschungsarbeiten in dem vom Architekten Erich Mendelssohn errichteten Einsteinturm, der zum Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP) gehört.
Im Zweiten Weltkrieg entstanden zwar Bombenschäden, die Arbeitsfähigkeit konnte aber relativ schnell wieder hergestellt werden.
1946 wurden die astronomischen Forschungseinrichtungen in die Akademie der Wissenschaften eingegliedert. 1969 wurde das Zentralinstitut für Astrophysik (ZIAP) gegründet zu dem in Potsdam neben dem Institut für Sternphysik (ehemals AOP) das Institut für extragalaktische und relativistische Forschung (Sternwarte Babelsberg) sowie die Sternwarte Sonneberg und das Observatorium Tautenburg, jedoch nicht der Einsteinturm gehörten.
Ebenso wurden 1969 die erdbezogenen Institute im Zentralinstitut Physik der Erde (ZIPE) zusammengefasst. Neu waren die Forschungsrichtungen Satellitengeodäsie / Fernerkundung und die Betreuung der DDR-Antarktisstation "Georg Forster".
Am 1. Januar 1992 wurde das "GeoForschungsZentrum (GFZ)" (seit 2008 "Helmholtz-Zentrum Potsdam Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ") gegründet. 1998 entstanden Neubauten, die sich in Stilelementen an die Altbauten anlehnen (Verwaltungsbau, Hörsaalkomplex, 6 Institutsbauten).
1992 entstand das zur Leibniz-Gemeinschaft gehörende Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), das die Folgen des globalen Klimawandels für Umwelt und Gesellschaft untersucht. Es nutzt u.a. die Gebäude der ehemaligen Astrophysikalischen und Meterologischen Observatorien (Michelson-Haus und Reinhard-Süring-Haus).
Die Traditionslinie der Antarktisforschung des ZIPE wird durch die Forschungsstelle des "Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung" weitergeführt (1999 Labor-Neubau).
Wissenschaftsstandort Potsdam-Babelsberg
Die Astronomen an der von Karl Friedrich Schinkel 1832-1835 am Stadtrand von Berlin erbauten Sternwarte litten zunehmend unter den Störungen der wachsenden Großstadt. Daher erbaute man auf einem Randstück des Babelsberger Parkes 1911 - 1913 eine neue Sternwarte. Sie ist heute Hauptsitz des am 1. Oktober 1993 unter dem Namen Astrophysikalischen Instituts Potsdam (AIP) gegründeten Instituts. Heute nennt sich die Babelsberger Forschungseinrichtung Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP). Auf dem Telegrafenberg werden noch der Einsteinturm und museal der Große Refraktor genutzt. In Babelsberg entstanden mehrere Neubauten, u.a. das Schwarzschildhaus (1999/2000).
Potsdam wird Universitätsstandort
Am 20. Oktober 1948 wurde die Brandenburgische Landeshochschule gegründet. 1951 wechselte sie den Namen in Pädagogische Hochschule und war nach dem Statut vom 1. Oktober 1953 vorrangig Lehrer-Ausbildungsstätte, die an ihren Instituten auch Forschungsarbeiten leistete. Im September 1990 erfolgte die Rückbenennung in Brandenburgische Landeshochschule. Bald danach, am 15. Juli 1991 wurde an ihrer Stelle die Universität Potsdam gegründet, zu der auch die ehemalige "Akademie für Staats- und Rechtswissenschaften der DDR" und die Immobilien der 1990 aufgelösten "Juristischen Hochschule des MfS" in Golm gegeben wurden.
Wissenschaftspark Golm
In Golm, das erst seit 2003 als Ortsteil zu Potsdam gehört, hat sich seit 1995 ein international bedeutender Wissenschaftsstandort entwickelt.
Zur Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung gehören: das Institut für Angewandte Polymerforschung und das Institut für Biomedizinische Technik. Die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (Rechtsnachfolgerin der 1922 gegründeten Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft) betreibt in Golm das Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, das Institut für Molekulare Pflanzenphysiologie und das Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut). Die Max-Planck-Gesellschaft hat in Golm die größte Investition ihrer Geschichte getätigt.
Ferner befindet sich hier der Universitäts-Campus mit weiteren 15 Instituten, für den 1999 der erste Neubau eingeweiht werden konnte, ein zweiter folgte 2004, womit die Entwicklung aber noch nicht abgeschlossen ist. Für alle Forschungseinrichtungen bestehen Erweiterungsmöglichkeiten. Dazu kommen im Umkreis der Forschungsinstitute mehrere Unternehmensansiedlungen, z.B. der Pharma-Industrie, für die das 2007 geschaffene "Golm-Innovationszentrum Go:In" als Gründerzentrum Wegbereiter ist.
Einrichtungen der angewandten Forschung
Institut für Agrartechnik Bornim e.V.
Am 1. Juli 1927 wurde am Standort des Gutes Bornim ein Versuchsgut für Landarbeit des Institutes für Betriebslehre und Arbeitswirtschaft der Landwirtschaftlichen Hochschule Berlin eingerichtet. 1931 wurde das Versuchsgut selbständig und unterstand ab 1933 als Preußische Versuchs- und Forschungsanstalt für Landarbeit dem preußischen Landwirtschaftsministerium. Etwa parallel zu dieser Einrichtung entstand auch ein Schlepper-Prüffeld. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete die Deutsche Akademie der Landwirtschaftswissenschaften ein Institut für Landtechnik in Berlin, dessen Sitz 1953 offiziell Potsdam-Bornim wurde. 1964 erfolgte die Umbenennung in Institut für Mechanisierung und 1965 die Herauslösung des Landmaschinenprüfwesens als Zentrale Prüfstelle Landtechnik mit Sitz in Potsdam-Bornim. Am 2. Januar 1992 nahm das Institut für Agrartechnik Bornim e.V., das zur Wissenschaftsgemeinschaft Leibniz gehört seine Tätigkeit auf (Max-Eyth-Allee).
Institut für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow
1922 wurde in dem 1904 erbauten kaiserlichen Jägerhof am Sacrower See eine Forschungseinrichtung der Preußischen Landesanstalt für Fischerei in Berlin-Friedrichshagen eingerichtet, die ab 1952 als Zweigstelle für Seenfischerei des Instituts für Fischerei der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften betrieben wurde (später Namenswechsel). Nach 1990 wurden der See und die Immobilien vom Land Brandenburg übernommen. Gemeinsam mit dem Land Sachsen-Anhalt wurde das Institut für Binnenfischerei e.V. gebildet, eine Einrichtung für praxisorientierte Fischereiforschung und Lehraufgaben (Im Königswald 2).
Institut für Düngungsforschung der Akademie der Landwirtschaftswissenschaften der DDR
Die seit 1925 als landwirtschaftliche Ausbildungsstätte genutzte Villa Luisenhof (Templiner Straße 21) wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in einen wissenschaftlichen Laborbetrieb umgewandelt und nach 1990 als Institut für Biotechnologie bis etwa 1994 betrieben.
Schiffbau-Versuchsanstalt SVA
Die Schiffbau-Versuchsanstalt wurde 1953 bei Marquardt für industrienahe Forschungsaufgaben gegründet. Die Schiffbau-Versuchsanstalt GmbH Potsdam (SVA Potsdam GmbH) erarbeitet hydrodynamische Lösungen für die maritime Industrie (Auftragsforschung und Eigenforschung). Zu der Unternehmensgruppe gehört die "SVAtech GmbH", die ausschließlich kommerziell orientiert ist (Marquardter Chaussee 100).
Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (HPI)
Das HPI wurde 1998 im Rahmen einer Public-Private-Partnership als GmbH gegründet. Durch Kooperationsvereinbarung mit der Universität Potsdam werden die HPI-Professoren gemeinsam berufen, die Studenten sind an der Universität eingeschrieben und die Bachelor- und Masterabschlüsse werden gemeinsam verliehen (Prof.-Dr.-Helmert-Straße 2-3).
Institute im ehemaligen Ortsteil Bergholz-Rehbrücke
Deutsches Institut für Ernährungsforschung
1946 wurde das Institut für Ernährung und Verpflegungswissenschaft gegründet, das auf eine in Berlin-Dahlem bestehende Einrichtung zurückging (Trennung 1947). Das zweite Institut war die "Anstalt für Vitaminforschung und Vitaminprüfung", die 1941 in Berlin gegründet, provisorisch in Leipzig tätig war und 1948 nach Bergholz-Rehbrücke verlegt wurde. Beide Institute, die unter der Leitung von Arthur Scheunert standen, wurden 1957 von der Deutschen Akademie der Wissenschaften übernommen und zum Institut für Ernährung (1969: Zentralinstitut) vereinigt, 1992 erfolgte die Neugründung als Deutsches Institut für Ernährungsforschung, das zur Leibniz-Gemeinschaft gehört (Arthur-Scheunert-Allee 114-116).
Institut für Getreideverarbeitung
1960 wurde das Institut in Bergholz-Rehbrücke als Forschungszentrum der Lebensmittelindustrie der DDR gegründet. Es ist heute eine freie privat finanzierte GmbH (Arthur-Scheunert-Allee 40/41).
Geisteswissenschaftliche Institutionen
Reichsarchiv / Forschungsanstalt für Kriegs- und Heeresgeschichte
1919 in der ehemaligen Kriegsschule auf dem Brauhausberg begründet, verwaltete es den Aktenbestand der Reichsbehörden und des alten Heeres. Es bestand aus einer Archiv- und einer Forschungsabteilung. Es bestand bis 1945.
Militärgeschichtliches Institut der DDR
1958 vom Minister für Nationale Verteidigung der DDR unter dem Namen "Institut für Deutsche Militärgeschichte" gegründete und in der Villa Ingenheim eingerichtete Institution, die am 3. Oktober 1990 durch die Bundeswehr übernommen wurde.
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw)
Das ZMSBw (früher Militärgeschichtliches Forschungsamt - MGFA) der ehemaligen DDR wurde 1993/1994 als Außenstelle des 1957 gegründeten, ab 1958 in Freiburg i. Br. tätigen MGFA geführt. Am 23. September 1994 führte der Bundesminister der Verteidigung das MGFA am nunmehr neuen Standort in der Villa Ingenheim in Potsdam (Zeppelinstraße 127) ein. Im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr entschied das Bundesministerium der Verteidigung, seine beiden bislang unabhängig voneinander tätigen Ressortforschungseinrichtungen MGFA und SOWI am Standort Potsdam zu fusionieren. Zum 1. Januar 2013 trat das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr an die Stelle der beiden Dienststellen.
Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF)
Das ZZF wurde 1992 in Potsdam als Zentrum für die Erforschung der deutschen und europäischen Zeitgeschichte eingerichtet. Es gehört zur Leibniz-Gemeinschaft und kooperiert mit den Hochschulen in Berlin und Brandenburg (Am Neuen Markt 1).
Moses-Mendelssohn-Zentrum für europäisch-jüdische Studien (MMZ)
Das 1992 gegründete MMZ betreibt interdisziplinär philosophische, religions-, literatur- und sozialwissenschaftliche Grundlagenforschung. Es ist ein An-Institut der Universität Potsdam und am Studiengang "Jüdische Studien / Jewish Studies" maßgeblich beteiligt (Am Neuen Markt 8).
Autor: Regionalhistoriker Dr. Klaus Arlt