Stehender und Liegender Torso, Rainer Muhrbeck, 1982

Terrakotta auf Klinkersockel Stehender Torso: H 240 cm, B 120 cm, T 100 cm; Liegender Torso: H 110 cm, B 190 cm, T 110 cm

Zwei ungewöhnliche Plastiken bestimmen den Ort des Geschehens an der Neustädter Havelbucht: Stehender und Liegender Torso. In der plastischen Gestalt, der 1982 von Rainer Muhrbeck (*1944) im Rahmen eines Symposiums geschaffenen Torsi, sucht man das in der DDR-Kunst gewohnte Realistische vergebens. In den ersten Jahrzehnten war die plastische Gestaltung durch den von der Staatsführung vorgegebenen Sozialistischen Realismus geprägt, gefolgt von freieren Darstellungen mit Übersteigerung der Proportionen in den 1970er Jahren. Hingegen zeigen die Figuren von Rainer Muhrbeck eine Abstraktion, welche jenes Realistische infrage stellt – eine Auffassung, die erst in den späteren Jahren der DDR möglich war.

Die Terrakottaplastiken erschließen sich dem Betrachter nicht auf den ersten Blick, doch bei längerem Hinsehen erkennt man das Typische eines Torsos. Am oberen Ende des Stehenden Torso liegen die Schultern mit den Armansätzen, in deren Mitte der Hals aufragt. Daran schließt der durchbrochene Rumpf an, welcher sich von einer geraden Linie im schmalen Brustbereich zu einem kraftvollen Bogen am ausgewölbten Becken entwickelt. Während der Stehende Torso in seiner Form geschlossen und statisch wirkt, zeigt der ähnlich aufgebaute Liegende Torso einen Schritt zur Öffnung und Bewegung. Mit einer leichten Verdrehung im Rumpf scheint dieser am Boden liegend, zu einer unbefangenen Drehung anzusetzen. Die kraftvollen Beinansätze vollziehen dabei eine spreizende Bewegung und aus dem Blockhaften entwickelt sich eine Öffnung in verschiedene Richtungen.

Rainer Muhrbeck konfrontiert den Betrachter mit einer ungewohnten doch verständlichen Darstellungsart des menschlichen Corpus: Stehen und Liegen. Diese sind nicht nur elementare Positionen, die Aufstieg und Fall symbolisieren, sie bilden auch zentrale Themen in der Bildhauerei. Der Durchbruch im Rumpf der beiden Torsi verdeutlicht zudem die Verletzbarkeit des menschlichen Körpers. Darin zeigt sich letztendlich auch die vom Künstler beabsichtigte Darstellung der Dialektik der Natur: der Widerspruch zwischen Leben und Tod. Die Terrakottaplastiken erinnern mit ihren erdverbundenen Farben, der Materialwahl und den angedeuteten üppigen Formen bisweilen an Terrakottafigurinen aus den Stammeskulturen der Kolonialreiche von Afrika und Mittelamerika. Doch entwickelt Rainer Muhrbeck diese Einflüsse zu Formen, deren Abstraktionsgrad dem Künstler die Konzentration auf das Wesentliche seiner Aussagen ermöglicht.

Adresse

Stehender und Liegender Torso
Breite Straße 24
14467 Potsdam
Deutschland