Kolumne der Woche: Aufbruchstimmung

Oberbürgermeister Jann Jakobs
© Oberbürgermeister Jann Jakobs
Oberbürgermeister Jann Jakobs

24. Mai 2015

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

25 Jahre ist es in dieser Woche her, dass die erste frei gewählte Stadtverordnetenversammlung ihre Arbeit aufgenommen hat. 115 Stadtverordnete saßen damals im Plenarsaal, noch ein Jahr zuvor waren es 225. Ziel fast aller der neuen Volksvertreter war es, die Stadt voranzubringen und zu entwickeln. Es herrschte Aufbruchstimmung, es gab bewegende Momente. Dr. Helmut Przybilski (SPD) wurde zum ersten Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung in der neuen Zeit gewählt. Er forderte damals in seiner Rede die Stadtverordneten auf, das Haus nicht zum Ort für Parteiengezänk, Profilierungssucht und eitle Selbstdarstellung zu machen.

Gerade in den ersten Jahren wurden weitreichende Entscheidungen getroffen, die damals umstritten waren, im Rückblick heute aber als wegweisend gelten können.

Unvergessen sind zum Beispiel die lauten Proteste vor dem Beschluss zum Abriss des Theater-Rohbaus an der Alten Fahrt im Jahr 1991. Ein Provisorium sollte viele Jahre die Zeit bis zu einem Neubau überbrücken. Natürlich hat dieses Provisorium lange halten müssen, weil kein Geld für einen Neubau zur Verfügung stand. Und dennoch haben wir in Potsdam 20 Jahre nach der Entscheidung den schönsten Theaterstandort landesweit mit einem wunderbaren Ensemble eröffnen können.

Noch lauter wurde es, als Potsdam sich gegen die Lausitz-Kohle und für ein modernes Gaskraftwerk ausgesprochen hat. Damals stand nicht nur die Landesregierung gegen den Beschluss vor der Tür, sondern Tausende Kohlekumpels, die die Türen buchstäblich mit Kohle zugeschüttet haben. Am 20. Oktober 1993 hatten sich die Stadtverordneten nach einer dramatischen Sondersitzung trotz wochenlanger Proteste für den Bau des Erdgas-Kraftwerkes entschieden. Dieses politische Durchhaltevermögen hat sich ausgezahlt. Das moderne Kraftwerk hat der Landeshauptstadt wesentliche Entwicklungspotenziale ermöglicht.

Zwei wesentliche Beschlüsse aus der Anfangszeit seien an dieser Stelle noch erwähnt: In einer Feierstunde anlässlich des Tages der deutschen Wiedervereinigung wurde nicht nur die behutsame Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss beschlossen, an dem bis heute festgehalten wird. Es wurde auch beschlossen, dass alle militärisch genutzten Gebäude künftig friedlich genutzt werden sollen. Auch dies ein Beschluss mit Weitsicht, der bis heute unser Handeln und somit die Entwicklung  der Landeshauptstadt im Bornstedter Feld, in der Schiffbauergasse oder in Krampnitz prägt.

Schaut man sich heute alte Zeitungen und Nachrichten aus dieser Zeit an, so herrschte auch in Potsdam bei privaten Investoren Goldgräberstimmung. Alles sollte sofort und in kürzester Zeit entwickelt werden. Heute, mehr als zwei Jahrzehnte später und mit Blick auf eine florierende Landeshauptstadt, bin ich froh, dass wir durch Sanierungs- und Entwicklungssatzungen für fast alle Teile Potsdams die stürmischen Anfänge gebändigt und in sinnvolle Bahnen gelenkt haben.

Der 25. Jahrestag der frei gewählten Stadtverordnetenversammlung, den wir am 29. Mai 2015 ab 17.00 Uhr im Plenarsaal feiern, ist auch der 25. Jahrestag der neu geschaffenen und grundgesetzlich garantierten kommunalen Selbstverwaltung in Ostdeutschland. Die Möglichkeit, als Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt über unsere Angelegenheiten selbst entscheiden dürfen, ist ein Wert, den wir anlässlich dieses Jubiläums und angesichts der gerade jetzt geplanten Kreis- und Verwaltungsstrukturreform des Landes Brandenburg gebührend wertschätzen sollten.  

Ihr
Jann Jakobs