Kolumne der Woche: 8. Mai 1945 - Das Ende eines Irrweges

Oberbürgermeister Jann Jakobs
© Oberbürgermeister Jann Jakobs
Oberbürgermeister Jann Jakobs

3. Mai 2015

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

wir können nur ahnen, wie die Potsdamerinnen und Potsdamer das Kriegsende vor 70 Jahren erlebt haben. Bis in den April hinein war die Stadt von schweren Luftangriffen und Kämpfen verschont geblieben. Nur die überfüllten Militärlazarette zeugten von der Dimension dieses fürchterlichen Weltkrieges. Doch ab der Nacht vom 14. auf den 15. April 1945 hatte der von Nazi-Deutschland begonnene Vernichtungskrieg auch die Stadt Potsdam erreicht. Die Innenstadt lag nun in Schutt und Asche, kurz darauf kämpfte sich die Rote Armee bei der Umklammerung Berlins nach Potsdam durch. Es war sicher eine Zeit der Schrecken für die Potsdamer, aber der Weg, der zu diesem Schrecken führte, begann schon viel früher. Wir wollen in der kommenden Woche mit mehreren Veranstaltungen daran erinnern.

In der Zeit von der Machtergreifung 1933 bis zum Zusammenbruch des 3. Reichs am 8. Mai 1945 war nicht nur Potsdam, sondern ganz Deutschland auf einem gefährlichen Irrweg, der wahrscheinlich 60 Millionen Menschen das Leben gekostet hat. Das titelgebende Zitat vom "Ende des Irrweges" stammt vom kürzlich verstorbenen ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker, es fiel bei seiner epochemachenden Rede vor dem Deutschen Bundestag in Bonn anlässlich des 40. Jahrestages des Kriegsendes in Europa am 8. Mai 1985.  

Erst mit dieser wegweisenden Rede des Bundespräsidenten setzte sich in Westdeutschland die politische Deutung der „Befreiung vom Nationalsozialismus“ durch und wurde zur Kernaussage der nationalen Erinnerungskultur der Bundesrepublik Deutschland. Die Worte des Bundespräsidenten fanden starke nationale wie internationale Beachtung und trugen wesentlich zur verbesserten Außenwahrnehmung eines sich verändernden Deutschlands bei.

Denn Erinnerung lebt von Worten, Bildern und Gesten, die die Vergangenheit deuten und symbolhaft für die Haltung einer Nation im Umgang mit ihr sind. Die Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkrieges war in Deutschland sehr lange geteilt. Während in der DDR mit der Staatsgründung die Bewertung des Kriegsendes als Befreiung Deutschlands politisch vorgegeben wurde, brauchte die Bundesrepublik 40 Jahre, um zu einer solchen Position zu finden, die breite gesellschaftliche Akzeptanz fand.

Die Landeshauptstadt Potsdam gedenkt dieses Jahrestages in vielfacher Weise. So werde ich die traditionelle Potsdamer Gedenkfeier der Brandenburgischen Freundschaftsgesellschaft e. V. zum Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus auf dem sowjetischen Friedhof am Bassinplatz besuchen. Bürgermeister Burkhard Exner nimmt an der Kranzniederlegung zum 70. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg am sowjetischen Ehrenmal in Berlin teil, denn die Rote Armee und die Sowjetunion trugen entscheidend zum Sieg über den Nationalsozialismus bei.

Von besonderer Bedeutung ist für uns die gemeinsame Gedenkveranstaltung in der Schinkelhalle am Abend des 8. Mai. Hier erinnern wir zusammen mit dem Land Brandenburg an das Kriegsende in Europa. Und hier werden wir die Rede des Bundespräsidenten a.D. Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges am 8. Mai 1985 zum zentralen Veranstaltungspunkt machen. Die Rede wird in voller Länge in einer Aufzeichnung der Gedenkveranstaltung aus dem damaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestags in Bonn gezeigt.

Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Dr. Dietmar Woidke, und ich laden Sie ein, sich die Rede Richard von Weizsäckers in der Schinkelhalle anzusehen. Diese Rede gibt sicherlich Anlass für Gespräch über die historische Zäsur des Jahres 1945, die politische Wirkung der Gedanken Weizsäckers vor 30 Jahren und ihr Vermächtnis für die Bewertung des Kriegsendes heute. Dann wissen wir vielleicht besser, wie wir derartige Irrwege auch in Zukunft vermeiden.

Ihr

Jann Jakobs