Jüdisches Leben pulsiert

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

es gibt ein altes jüdisches Sprichwort, es lautet: „Schon wegen der Neugier ist das Leben lebenswert." Ich finde, das ist ein schönes Motto für die Eröffnung der School of Jewish Theology, die wir am vergangenen Dienstag an der Universität Potsdam gefeiert haben. Denn wenn ein neuer Studiengang gestartet wird - zumal wenn es sich um den europaweit ersten Studiengang dieser Art handelt - dann ist die Neugierde geweckt.

Ich bin jedenfalls sehr neugierig und gespannt, welche Impulse von diesem Studiengang für Jüdische Theologie ausgehen werden. Religionsfreiheit und Toleranz genießen bei uns seit dem Edikt von Potsdam im 17. Jahrhundert einen besonders hohen Stellenwert. Damals legte der Kurfürst den Grundstein für ein friedliches Zusammenleben der preußischen Bevölkerung mit den eingewanderten hugenottischen Glaubensflüchtlingen, den niederländischen Handwerkern, böhmischen Webern und Schweizer Landwirten.

Aber Toleranz muss immer wieder neu erarbeitet und vor allem gelebt werden. Deshalb haben wir im Jahr 2008 mit großer Unterstützung der Potsdamerinnen und Potsdamer das neue Potsdamer Toleranzedikt erarbeitet. Der europaweit erste Studiengang der Jüdischen Theologie an unserer Universität ergänzt das aufs Vortrefflichste! Bald werden in der Landeshauptstadt junge Menschen aus aller Welt mit jüdischem und nicht jüdischem Glauben gemeinsam Disziplinen wie die jüdische Religionsgeschichte und -philosophie, Bibelexegese, jüdisches Recht sowie Rabbinische Literatur studieren.

Für mich ist aber auch wichtig, dass das jüdische Leben noch stärker in unserer Stadt präsent ist. Nach einer Bevölkerungsstatistik von 1925 gehörten noch 600 Mitglieder zur Synagogengemeinde Potsdam. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten bot sich hier wie in allen Teilen Deutschlands ein anderes Bild: 1941 wohnten und lebten im Stadtgebiet nur noch etwa 100 jüdische Bürger, dazu im „Jüdischen Altersheim" in Babelsberg ca. 40. Mit den folgenden Deportationen wurde das jüdische Leben nahezu ausgelöscht. Nach der Shoa kam jüdisches Leben wie überall in Deutschland auch erst ganz langsam wieder in Gang. Zu groß war die Trauer über die Opfer, zu stark die Erinnerung an die Gräueltaten.

Heute sind die Gemeinden mit ihren mehr als 400 Mitgliedern mitten in der Potsdamer Gesellschaft verwurzelt. Auch in der Wissenschaft ist schon einiges passiert. 1999 wurde das Abraham Geiger Kolleg hier in Potsdam gegründet. Das Rabbinerseminar war die erste entsprechende Neugründung in Kontinentaleuropa.

Durch die jetzige Einrichtung dieses ersten Studiengangs der Jüdischen Theologie an unserer Universität wird die Entwicklung jüdischen Lebens in der Landeshauptstadt auf eine ganz neue Stufe gehoben. Potsdam wird jetzt noch internationaler, noch vielfältiger und noch wissenschaftlich relevanter, wenn dieser Studiengang beginnt.

Das passt natürlich auch perfekt zum Wissenschaftsstandort Potsdam, der stetig an Bedeutung gewinnt. Die Dichte an wissenschaftlichen Einrichtungen sowie die hohe Anzahl an Lernenden, Lehrenden und Forschenden spielen eine herausragende Rolle für die weitere Entwicklung Potsdams und bilden das wichtigste Zukunftspotential. In Potsdam forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt. Insbesondere das kulturelle Leben der Landeshauptstadt profitiert davon. Ergänzt wird die Bandbreite der Wissenschaftseinrichtungen nun also um den Studiengang Jüdische Theologie.

Mich jedenfalls macht dieser neue Studiengang neugierig. Er ist ein Gewinn für Potsdam!

Ihr

Jann Jakobs


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