Sitz der Slawen
Die Stadt Potsdam ist vor allem als Lieblingsresidenz der preußischen Könige des 18. und 19. Jh. bekannt. Doch die wechselvolle Geschichte des Ortes reicht viel weiter zurück. Spuren menschlichen Lebens gibt es seit der Altsteinzeit vor rund 12 000 Jahren. Mit der „Römerschanze“ bei Sacrow entstand in der Bronzezeit vor etwa 3000 Jahren eine der ältesten Wehranlagen Europas.
Potsdam selbst wird erstmals schriftlich erwähnt, als das ostfränkisch-deutsche Reich im 10. Jh. versuchte, die seit dem 6./7. Jh. zwischen Elbe/Saale und Oder/Neiße siedelnden Slawen zu unterwerfen. Am 3. Juli 993 schenkte der 13-jährige König Otto III. seiner Tante, der Äbtissin Mathilde von Quedlinburg, urkundlich den Ort „Poztupimi“.
Das damalige „Potsdam“ bestand im Kern aus einer slawischen Burg, die seit dem 8./9. Jh. existierte und 1911 entdeckt wurde. Sie lag gegenüber der Mündung der Nuthe in die Havel im Bereich der Seniorenresidenz, die jetzt an Stelle der ehemaligen Heiliggeistkirche steht. Im Umfeld der Burg befanden sich drei slawische Siedlungen.
Besiedelung durch Deutsche
Im 12./13.Jh. besetzten und besiedelten die Deutschen die Gebiete zwischen Elbe und Oder endgültig. Schriftliche Erwähnungen Potsdams aus dieser Zeit fehlen jedoch völlig, so dass die Forschung auf archäologische Funde und Kombinationen angewiesen ist. Vermutlich wurde Potsdam dem Magdeburger Erzbischof Wichmann von Albrecht dem Bären überlassen. Diesem aus dem Ostharz stammenden Askanier (abgeleitet von Aschersleben) hatte Wichmann 1157 bei der Eroberung der Brandenburg, des alten Fürstensitzes des slawischen Hevellerstammes, geholfen, worauf Albrecht den Titel „Markgraf von Brandenburg“ annahm. Wahrscheinlich waren es Ritter des Erzbischofs, die zunächst die slawische Burg Potsdam besetzten. Vermutlich entstand dann Ende des 12. Jh. unter magdeburgischer Leitung das deutsche Potsdam als Wehrsiedlung. Deren Kern wurde ein viereckiger steinerner Burgturm in der Nähe eines Havelübergangs, der heutigen „Langen Brücke". Um 1200 konnten die Nachfolger Albrechts des Bären Potsdam dem Magdeburger Erzbistum entreißen. Da die askanischen Markgrafen von Brandenburg ihre Herrschaft in der Folgezeit rasch weiter nach Osten vorschoben, verlor die Wehrsiedlung Potsdam an Bedeutung. Die zweite überlieferte Erwähnung des Ortes nach 993 stammt erst von 1317.
Das mittelalterliche Potsdam
Das mittelalterliche Potsdam, an das noch die Namen „Burgstraße", „Alter Markt" und „Kiez" erinnern, war recht klein. In der Mitte befand sich der Markt mit Kirche und Friedhof, darum gruppiert im Westen, Norden und Osten die Häuser, deren Außenring kaum 200 m vom Zentrum entfernt lag. Außerhalb des Städtchens entstand in der Burgstraße die Burgfischergemeinde. Die Slawen aus der Siedlung beim alten Burgwall wurden in den 1349 erstmals erwähnten Kiez westlich des deutschen Ortes umgesetzt, unterstanden direkt dem markgräflichen Beauftragten auf der Burg und waren ihm zu Diensten verpflichtet. Die um 1300 vorhandene Dreiteilung in Städtchen, Kiez und Burgfischergemeinde blieb bis ins 17. Jh. bestehen. Potsdams Einwohner waren vor allem kleine Fischer, daneben gab es einige „Garnherren“, die in größerem Umfang Fischerei betrieben. Unter den Handwerkern überwogen Bäcker, Fleischer, Schuhmacher, Leineweber und Schneider. Seit etwa 1400 lebten hier auch Wollweber, die als einzige der genannten Berufsgruppen Märkte außerhalb der Stadt belieferten. Kaufleute gab es im mittelalterlichen Potsdam nicht. Auswärtige Händler bzw. Handwerker konnten auf Jahrmärkten, die 1424 erstmals genannt werden, drei- bis viermal jährlich in der Stadt ihre Waren feilhalten. Neben den markgräflichen Beauftragten, dem Burgherren und dem Stadtschulzen, wird erstmalig 1345 ein Rat erwähnt. Auseinandersetzungen zwischen ihm und der Bürgerschaft (1467 erstmals überliefert) nutzte der seit dem beginnenden 15. Jh. als Amtshauptmann bezeichnete Herr auf der Burg, um die Stadt stärker seiner Gewalt zu unterstellen. Die 1375 zum ersten Mal schriftlich erwähnte Burg war vielleicht schon im 14., auf alle Fälle aber im 15. und 16. Jh. erweitert und unter Beibehaltung des Viereckturmes zu einem Burgschloss mit einem Querbau und einer an den Ecken mit Rundtürmen versehenen Ringmauer ausgebaut worden. Ansonsten kümmerten sich die Markgrafen, die seit 1356 auch Kurfürsten waren, wenig um das Städtchen. Hier lebten, umgeben von Wall und Graben (ohne Stadtmauer), nicht einmal 1000 Menschen in knapp 100 Häusern. Die den 1319 in der Mark ausgestorbenen Askaniern als Markgrafen und Kurfürsten folgenden Wittelsbacher (seit 1323), Luxemburger (seit 1373) und Hohenzollern (seit 1415) verpfändeten Potsdam zur Geldgewinnung so oft wie kaum eine andere märkische Stadt.
Großer Kurfürst und Friedrich I.
Die Situation änderte sich, als der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm (1640-88) den Ort aus dem Pfandbesitz der Adelsfamilie v. Hake auslöste und neben Berlin als Residenz wählte. 1660 begann der Umbau der verfallenen alten Burg zum Schloss mit Lustgarten, das um 1680 seine endgültige Ausdehnung erhielt. Daneben entstand 1685 eine Orangerie. Im gleichen Jahr erließ Friedrich Wilhelm das „Edikt von Potsdam", mit dem er seine Lande den von König Ludwig XIV. aus Frankreich vertriebenen Hugenotten öffnete. Der Havelübergang wurde erneuert und die Stadt durch die „Kurfürstliche Freiheit" (Breite Straße) bis zum Kiez erweitert. Die kurfürstliche Ordnung für Potsdam von 1671 befahl u. a. die Verminderung der Zahl der im Ort gehaltenen Gänse und das Wecken der Einwohner durch Glockengeläut, im Sommer um drei Uhr morgens, im Winter um vier. Der 1672 geplante Abriss des alten Potsdam mit anschließendem Neubau kam wegen Geldmangels noch nicht zustande.
1701 nahm Kurfürst Friedrich III. von Brandenburg, Sohn des 1688 in Potsdam gestorbenen Großen Kurfürsten, als Friedrich I. den Titel „König in Preußen" an. Aus diesem Anlass erhielt das Stadtschloss das Fortunaportal.
Friedrich Wilhelm I. und Friedrich II.
Mit dem Regierungsantritt des „Soldatenkönigs" Friedrich Wilhelm I., der seinem 1713 gestorbenen Vater folgte, brach für Potsdam endgültig eine neue Zeit an. Noch im selben Jahr holte er das Bataillon der „Roten Grenadiere" in die Stadt, das durch Verlegung weiterer Einheiten nach Potsdam in der Folgezeit zum berühmten Regiment der „Langen Kerls" aufgestockt wurde. Da die kasernierte Unterbringung der Soldaten damals noch nicht die Regel war, wurde das mittelalterliche Potsdam abgerissen, um sie in den Giebelstuben von auf Befehl des Königs neu entstehenden Bürgerhäusern einzuquartieren. Alle Hausbesitzer hatten - je nach Vermögen - zwei, vier oder sechs Soldaten zu beherbergen. Seinem Befehl gemäß brachte der König im Stadtschloss sechs Grenadiere unter. Bis 1720 erhielt der Stadtkanal seinen heute noch erkennbaren Verlauf. 1722 bekam Potsdam Preußens erste Gewehrmanufaktur. Im Raum zwischen dem Brandenburger Tor, Jägertor, Nauener Tor und Berliner Tor entstand zwischen 1721 und etwa 1730 die erste, von 1732/33 bis 1742 die zweite Neustadt (mit dem bekannten Holländerviertel), die 1752/53 nochmals leicht erweitert wurde. 1722 erfolgte zur Unterbindung von Desertionen und zur leichteren Steuererhebung unter Einbeziehung des Kiezes eine Ummauerung, von der noch Reste an der Havel stehen. Die mittelalterliche Feldsteinkirche auf dem Alten Markt, im 17. Jh. als Katharinenkirche bezeichnet, wurde 1720 abgebrochen, und 1721-24 durch die erste Nikolaikirche ersetzt. 1722-24 entstand das 1771-78 erneuerte Große Militärwaisenhaus, 1726-28 die Heiliggeistkirche und 1731-35 die Hof- und Garnisonkirche (2. Bau) in der Breiten Straße. Für den Sohn des Soldatenkönigs, Friedrich II. (den Großen, 1740-86), erbaute G. W. v. Knobelsdorff 1745-47 neben der Stadt das Schloss Sanssouci, das Potsdam weltberühmt machen sollte, und gestaltete das Stadtschloss 1744-52 neu. Die alte Orangerie, seit 1714 Marstall, wurde 1746 vergrößert. Nach dem Siebenjährigen Krieg ließ Friedrich der Große 1763-69 mit dem Neuen Palais im Park Sanssouci den größten Potsdamer Schlossbau errichten. In der Stadt wurden auf seinen Befehl ab 1748 viele Häuser durch repräsentative Neubauten ersetzt oder erhielten Schaufassaden. 1751-53 entstand für die Hugenotten die Französische Kirche. In der 1750/51 gegründeten Siedlung Nowawes ließen sich böhmische Weber nieder. Als Vorstädte bildeten sich die Teltower, Brandenburger, Berliner, Nauener und die Jägervorstadt. Friedrich der Große verlegte weitere Infanterieeinheiten - darunter das Regiment Garde - nach Potsdam und holte Kavallerie (Kürassierregiment Gardes du Corps als berittene Leibgarde) sowie Artillerie in die Stadt.
Im 19. Jahrhundert
Friedrich Wilhelm II. (1786-97) ließ am Heiligen See den Neuen Garten mit dem Marmorpalais anlegen. Den 1806 durch die Niederlage Preußens gegen Napoleon verursachten Niedergang überwand Potsdam nur langsam. 1826-28/29 entstanden Schloss Charlottenhof (Schinkel) und die bekannte Kolonie russischer Blockhäuser („Alexandrowka") mit der russisch-orthodoxen Alexander-Newski-Kirche. Die 1795 abgebrannte Nikolaikirche wurde 1830-37 im klassizistischen Stil neu erbaut, die Kuppel erhielt sie 1843-49. Seit 1838 ist Potsdam mit Berlin durch die erste preußische Eisenbahnlinie verbunden.
Unter Friedrich Wilhelm IV. (1840-61), der Potsdam in eine Architektur- und Parklandschaft nach italienischen Vorbildern verwandeln wollte, entstanden die Friedenskirche (1844-54), das Belvedere auf dem Pfingstberg (1849-63) und die Orangerie im Park Sanssouci (1851-60). Das 1834 begonnene Schloss Babelsberg wurde in zwei Bauphasen 1849 im Stil der englischen Neogotik vollendet. Die katholische Kirche St. Peter und Paul entstand 1867-70.
Seit 1878 war die gesamte Garnison Potsdams kaserniert. Neben dem 1. Garde-Regiment zu Fuß lagen vier Garde-Kavallerieregimenter in der Stadt. Die Gebäude aller fünf Kasernen sind erhalten. Um 1900 begannen in Babelsberg Lokomotivbau, Schallplatten- und Filmindustrie. Als letztes Schloss der Hohenzollern entstand 1913-16/17 für den Kronprinzen Cecilienhof im Neuen Garten.
Im 20. Jahrhundert
Das Ende der Monarchie 1918 bedeutete für die bisher von Hof, Garnison und Verwaltung geprägte Stadt wieder einen tiefen Einschnitt. In verkleinertem Maße blieb Potsdam Garnisonstadt. Am 21. März 1933 beging Hitler mit dem „Tag von Potsdam" in der Garnisonkirche die Reichstagseröffnung. Während des Zweiten Weltkrieges waren mehrere Offiziere des Potsdamer Infanterieregiments 9 an der Vorbereitung des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944 beteiligt. In der Nacht vom 14. zum 15. April 1945 zerstörte ein englischer Bombenangriff große Teile der Potsdamer Innenstadt. Auch Garnisonkirche und Stadtschloss wurden Ruinen, während die Parks mit ihren Schlössern fast unbeschädigt blieben. Die Kämpfe mit sowjetischen Einheiten in den letzten Apriltagen verursachten weitere schwere Schäden.
Nach Kriegsende wurde im Schloss Cecilienhof Ende Juli/Anfang August 1945 zwischen Churchill, Truman und Stalin das Potsdamer Abkommen geschlossen. 1948 bezog die neue Brandenburgische Landeshochschule (seit 1951 Pädagogische Hochschule) die Communs hinter dem Neuen Palais. Der teilweise Wiederaufbau der zerstörten historischen Innenstadt begann. Allerdings wurden die erhaltungsfähigen Ruinen von Stadtschloss (1960), Garnisonkirche (1968) und Heiliggeistkirche (1974) beseitigt. Bis 1971 schüttete man den Stadtkanal zu, dessen teilweise Freilegung jetzt begonnen hat. Als neue Wohngebiete entstanden Waldstadt I (1960-70), Kiewitt (1966-73), Potsdam-West (1971-74), Zentrum-Ost (1972-75), Stern (1974-80), Waldstadt II (1977-88), Schlaatz (1982-88), Drewitz (ab 1988) und Kirchsteigfeld (in den neunziger Jahren).
Seit 1990 ist Potsdam Hauptstadt des neu gegründeten Landes Brandenburg. Anziehungspunkt wird neben den Schlössern und Gärten sowie der historischen Innenstadt immer mehr die Konzentration medialer (Studiotour Babelsberg, Filmmuseum) und wissenschaftlicher Einrichtungen. Zu diesen gehören die Universität Potsdam (seit 1991), die Filmhochschule, die Fachhochschule Potsdam, eine Vielzahl von Forschungsinstituten, das Militärgeschichtliche Forschungsamt, das Brandenburgische Landeshauptarchiv und die Stadt- und Landesbibliothek.
* Dr. Lutz Partenheimer ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur für Mittelalterliche Geschichte des Historischen Instituts der Universität Potsdam