Bereits zum 5. Mal wird im Rahmen des Einsteintages der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften der mit 5.000 Euro dotierte Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis von Oberbürgermeister Jann Jakobs verliehen. Ausgezeichnet wird Dr. Susanne Mildner für ihre herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Literaturwissenschaften.
Jann Jakobs ist sehr zufrieden mit der einstimmig getroffenen Juryentscheidung, denn "Mit Frau Dr. Mildner zeichnen wir erstmals eine exzellente junge Geisteswissenschaftlerin aus. Dies begrüße ich sehr, denn bislang ging der Preis jeweils an junge Naturwissenschaftler und ein Beleg für die vielseitige und interessante wissenschaftliche Arbeit der Geisteswissenschaftler in Potsdam war überfällig. Die Jurymitglieder konnten anhand der zahlreichen, erstklassigen Arbeiten wieder einmal feststellen, dass der Wissenschaftsstandort Potsdam sehr gut aufgestellt ist. Hier liegt das Zukunftspotential unserer Stadt!".
In diesem Jahr lagen 13 Bewerbungen bzw. Nominierungen vor. Die Auswahl wurde von der Jury unter Vorsitz von Oberbürgermeister Jann Jakobs vorgenommen. Der Jury gehörten neben Jann Jakobs noch Prof. Dr. Rolf Emmermann vom Deutschen GeoForschungsZentrum, Prof. Dr. Heinz Kleger von der Universität Potsdam/Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Prof. Dr. Reinhold Kliegl von der Universität Potsdam/Institut für Psychologie, Prof. Dr. Reinhard Lipowsky vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung sowie Prof. Dr. Bernd Müller-Röber von der Universität Potsdam/Institut für Biochemie und Biologie an.
Die ausgezeichnete Doktorarbeit "L'amour à la Werther: Liebeskonzeptionen bei Villers, de Stael, Stendhal und Goethe - Blickwechsel auf einen deutsch-französischen Mythos" richtet sich auf das bislang nicht umfassend untersuchte Phänomen der Liebeskonzeptionen von deutschen und französischen Schriftstellern um 1800. Dr. Mildner entwickelt in ihrer Arbeit einen wichtigen Gedankengang für das Verständnis literarischen Lebens in dieser Zeit. Laut Prof. Dr. Reinhart Meyer-Kalkus, der ihre Arbeit betreut und für den Preis vorgeschlagen hat, weist die Arbeit gedanklichen Tiefgang auf, sie knüpft an aktuelle Forschungsdiskussionen an. "Frau Dr. Mildners Untersuchung zeugt von intellektueller Neugierde, großer Belesenheit und umfassender Bildung. Stilistisch ist sie mit Schwung und einer gewissen Grazie geschrieben, zupackend im Urteil und sogar mit ironischen Seitenbemerkungen. Ich halte es für eine Bestätigung der Qualität dieser Arbeit, dass der renommierte Göttinger Wallstein-Verlag sie in sein Verlagsprogramm aufnehmen will", so Prof. Dr. Meyer-Kalkus.
Dr. Susanne Mildner wurde 1980 in Berlin-Buch geboren. Sie studierte an der Universität Potsdam Germanistik und promovierte an der Universität Potsdam und der Université Sorbonne Nouvelle Paris III. Bereits seit 2003 ist Dr. Susanne Mildner selbstständig tätig und hat verschiedene berufliche Aufgaben - vorrangig in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit - übernommen.
Jurymitglied Prof. Dr. Heinz Kleger, der heute Abend bei der Preisverleihung im Rahmen des Einsteintages der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, die Laudatio halten wird, zeigt sich von der Arbeit von Frau Dr. Mildner beeindruckt: "Die Arbeit wurde mit "summa cum laude" bewertet, was bei einer ‚Cotutelle de thèse‘ besonders schwer zu erreichen ist. Da Frau Dr. Mildner an zwei Universitäten, der Universität Potsdam und der Université Sorbonne Nouvelle Paris III, promoviert hat, musste die Arbeit von sechs Professoren bewertet werden. Außerdem ist diese bi-nationale Arbeit für die deutsch-französischen Beziehungen von großer Bedeutung."
Auch Dr. Susanne Mildner betont die Bedeutung der ‚Cotutelle de thèse‘: "Wer über deutsche und französische Autoren schreibt, für den kann es nichts Besseres geben als eine ‚Cotutelle de thèse‘, da man dank ihr das jeweilige Wissenschaftssystem kennenlernt und von Mehrsprachigkeit, Mobilität sowie der Entwicklung interkultureller und sprachlicher Kompetenzen Gebrauch macht. Mittlerweile bin ich auch privat mit einem Franzosen liiert und wir sind Eltern einer süßen kleinen Deutsch-Französin. Wir drei sind unglaublich stolz auf die Auszeichnung mit dem Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis."
Hintergrundinformationen
Goethes "Leiden des jungen Werthers" werden zu einem Welterfolg. Für Madame de Staël ist Werther der Repräsentant der einzig wahren Liebe, Charles de Villers bewundert dessen "Sehnsucht, Ahndung, Schwärmerei", Stendhal benennt das Phänomen der deutschen Liebe erstmals konkret als "Amour à la Werther". In dem Wunsch, ihrer Heimat Frankreich ein Modell der Ergänzung oder gar, wie Villers, des Ersatzes vorzuführen, übertragen diese Autoren das "romantische" Liebeskonzept des Werthers auf seinen Schöpfer und die Deutschen, was die Enttäuschung de Staëls nach ihrer Bekanntschaft mit Goethe im Dezember 1803 erklärt: "Goethe n'est pas Werther; il engraisse."
Ziel des Forschungsprojektes war das Aufspüren eines bisher kaum wahrgenommenen Phänomens der Liebeskonzeptionen um 1800: Diese wurden jeweils mit Blick auf den Anderen entwickelt. Die Darstellung und Deutung der Liebe wird zu einer Art Streitpunkt im Austausch deutscher und französischer Autoren. Nationale Stereotypen stellen eine Möglichkeit der Wahrnehmung von Identität wahr, stoßen vor diesem Phänomen jedoch an ihre Grenzen. Liebe geht in ihnen nicht auf.
Downloads
- Grußwort des Potsdamer Oberbürgermeisters
- Laudatio von Professor Heinz Kleger