4. Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis an Dr. Anne Brockhoff

Dr. Anne Brockhoff
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Dr. Anne Brockhoff (© Archiv)

Oberbürgermeister Jann Jakobs verleiht im Rahmen des "Einsteintages" der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften den Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis an Dr. Anne Brockhoff. Dr. Anne Brockhoff wird für ihre hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Ernährungswissenschaft ausgezeichnet. Sie hat sich insbesondere mit der Struktur und Funktion von Rezeptoren für bittere Geschmackstoffe beschäftigt.

Um den Nachwuchswissenschaftler-Preis hatten sich in diesem Jahr 15 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beworben. Die eingereichten Arbeiten wurden von einer fünfköpfigen Jury unter Vorsitz des Oberbürgermeisters Jann Jakobs gesichtet und bewertet. Der Jury gehörten Prof. Dr. Rolf Emmermann vom Deutschen GeoForschungsZentrum, Prof. Dr. Heinz Kleger von der Universität Potsdam/Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Prof. Dr. Reinhold Kliegl von der Universität Potsdam/Institut für Psychologie, Prof. Dr. Reinhard Lipowsky vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung sowie Prof. Dr. Bernd Müller-Röber von der Universität Potsdam/Institut für Biochemie und Biologie an. Prof. Dr. Lipowsky wird heute Abend die Laudatio für Frau Dr. Brockhoff halten.

Der mit 5.000 Euro dotierte Preis wurde bereits zum vierten Mal ausgeschrieben. Oberbürgermeister Jann Jakobs hebt hervor: "Mit diesem Preis möchte die Landeshauptstadt den Stellenwert von Wissenschaft und Forschung als unverwechselbaren Bestandteil der Marke Potsdam hervorheben und junge Menschen an unsere Stadt binden."

Jury-Mitglied Prof. Dr. Reinhard Lipowsky fasst die Leistungen von Dr. Anne Brockhoff zusammen: "Frau Brockhoff hat die molekularen Mechanismen untersucht, die dem bitteren Geschmack von Lebensmitteln und Medikamenten zu Grunde liegen. Sie hat dabei entdeckt, dass menschliche Bitter-Rezeptoren auf sehr viele verschiedene Bitterstoffe ansprechen können und dabei trotzdem nur eine einzige molekulare Andockstelle oder Bindungstasche für diese Stoffe besitzen. Außerdem hat sie neuartige Bitterblocker identifiziert, die ein großes Anwendungspotential bei der Geschmacksverbesserung von gesunden Lebensmitteln und Medikamenten haben". Damit habe Frau Dr. Brockhoff wesentliche Erkenntnisse gewonnen, die dazu beitragen, die Mechanismen der Geschmackswahrnehmung besser zu verstehen. Eine wichtige Voraussetzung, um zu klären, inwieweit der Bittergeschmack die Ernährung und damit die Gesundheit beeinflusst. "Die Leistungen von Frau Dr. Brockhoff sind außergewöhnlich und genügen nicht nur höchsten Ansprüchen, sondern sprechen auch für ihre Kreativität, Kompetenz und Produktivität", lobt Prof. Dr. Wolfgang Meyerhof seine Mitarbeiterin und ehemalige Doktorandin. "Die von ihr erarbeiteten Erkenntnisse sind für die Weiterführung der Forschungsarbeiten in meiner Abteilung essentiell".

"Ich freue mich sehr über diese Anerkennung meiner wissenschaftlichen Leistungen. Sie ist ein großer Ansporn für die Bewältigung aller Herausforderungen und Projekte, die mich künftig erwarten", sagte Dr. Anne Brockhoff, als sie von der Auszeichnung erfuhr.

Anne Brockhoff wurde 1979 in Werdau geboren. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat sie im Jahr 2003 ihr Diplomstudium der Ernährungswissenschaft abgeschlossen. Bereits ihre Diplomarbeit hat sie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) verfasst. 2009 konnte sie ihre Promotion an der Universität Potsdam im Fach Ernährungswissenschaft mit "summa cum laude" beenden. In der Abteilung "Molekulare Genetik" des DIfE hatte sie die "Struktur-Funktionsbeziehungen menschlicher Bitterrezeptoren" erforscht. Derzeit ist Frau Dr. Brockhoff als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung "Molekulare Genetik" des DIfE tätig und untersucht die molekulare Struktur und Funktionsweise menschlicher Bitterrezeptoren und Süßrezeptoren.

 

Hintergrundinformationen

Viele Menschen bevorzugen ungesunde Speisen, deren häufiger Verzehr Übergewicht, Herz-Kreislauf-, und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes (Zuckerkrankheit) begünstigen. Doch warum ist dies so und welche Rolle spielt die Geschmackswahrnehmung für unser Ernährungsverhalten und damit für die Gesundheit? Wie funktioniert "Schmecken" auf molekularer Ebene? Beeinflussen erbliche Unterschiede in den Geschmackssensoren unsere Nahrungsvorlieben und wenn ja, welche genetischen Varianten sind relevant? Wissenschaftler der Abteilung Molekularer Genetik am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) haben es sich zur Aufgabe gemacht, Antworten auf diese Fragen zu finden. Im Fokus der Arbeiten von Dr. Anne Brockhoff stand und steht dabei der Bittergeschmack.

Neben den anderen vier Grundgeschmacksarten wie süß, sauer, salzig und umami beeinflusst auch der Bittergeschmack nachhaltig die menschliche Ernährung. Starke Bitterkeit führt unweigerlich zur Ablehnung, während eine schwache bis mäßige Bitterkeit bei bestimmten Nahrungs- oder Genussmitteln vom Verbraucher erwünscht ist und die Akzeptanz derartiger Produkte fördert. Als Beispiele sind hier Kaffee, dunkle Schokolade oder Bier zu nennen. Die Balance zwischen Ablehnung und Akzeptanz wirkt sich maßgeblich auf die Ausbildung von Nahrungsvorlieben und -abneigungen aus.

Wie man heute weiß, wird der bittere Geschmack bei Menschen durch etwa zwei Dutzend Bittergeschmacksrezeptoren vermittelt. Einen dieser für die Humanernährung wichtigen Bitterrezeptoren hat Frau Dr. Brockhoff identifiziert und charakterisiert. Er wird durch Bitterstoffe aus essbaren Pflanzen aktiviert und spricht auf circa ein Viertel aller getesteten Bitterstoffe an. Dieser Befund unterstützt nachdrücklich die These, dass 'breite Bitterstoff-Spektren' der Bitterrezeptoren für unsere Fähigkeit verantwortlich sind, mit wenigen Rezeptoren zahllose Bitterstoffe zu detektieren. Darüber hinaus hat Frau Brockhoff die Architektur einiger verwandter Bitterrezeptoren im Detail untersucht. Sie konnte zeigen, dass diese über lediglich eine einzige Bindungstasche verfügen, in der die verschiedenen Bitterstoffe mit den Rezeptoren in Wechselwirkung treten. Dabei bestimmen nur wenige Bausteine eines Rezeptors, ob und wie stark er auf einen bestimmten Bitterstoff reagiert. Bereits kleinste Unterschiede im Inneren der Bindungstasche wirken sich auf das Wechselspiel zwischen Bitterrezeptor und Bitterstoffen aus.

All diese von Frau Dr. Brockhoff ermittelten Daten tragen in einem erheblichen Maße zu einem tieferen Verständnis der Funktionsweise von Bitterrezeptoren bei und sind eine wichtige Voraussetzung für weiterführende Studien. So untersuchen die Wissenschaftler am DIfE derzeit unter anderem, inwieweit sich die bisher gefundenen genetisch bedingten Unterschiede in den Rezeptoren auf die Geschmackswahrnehmung auswirken und so letztendlich das Ernährungsverhalten beeinflussen.

Darüber hinaus hat Frau Brockhoff im Rahmen ihrer Arbeit Substanzen identifiziert, die spezifisch bestimmte Bitterrezeptoren blockieren und so beispielsweise den bitteren Beigeschmack von Süßstoffen wie Saccharin vermindern. Derartige Bitterblocker sind bislang nicht in der wissenschaftlichen Literatur beschrieben worden. Sie versetzen uns jedoch in die Lage, die molekularen Mechanismen der Geschmackswahrnehmung detaillierter zu untersuchen. Darüber hinaus stellen solche Bitterblocker (bislang vergeblich) nachgefragte Werkzeuge für die Lebensmittel- und Aromastoffhersteller dar, um geschmackliche Fehlnoten in Lebensmitteln zu maskieren oder die Bitterkeit von Medikamenten zu reduzieren. Letzteres wäre gerade für Kleinkinder wichtig und könnte die Lebensqualität chronisch Erkrankter verbessern.

Dr. Anne Brockhoff hat somit erfolgreich auf molekularer Ebene bislang weitestgehend unbekannte Prinzipien aufgeklärt, wie Bitterstoffe Geschmacksrezeptoren aktivieren und der Wissenschaft tiefe Einsichten in die Funktionsweise der Geschmacksrezeptoren gegeben.