
erhielt den Potsdamer Nachwuchswissenschafts-Preis 2024, Dr. Annika Heike Stechemesser.
Der mit 5.000 Euro dotierte Potsdamer Nachwuchswissenschafts-Preis geht in diesem Jahr an Dr. Annika Heike Stechemesser für ihre herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Klimaphysik. In ihrer wissenschaftlich exzellenten, interdisziplinären und mit summa cum laude bewerteten Dissertation hat sie sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf wichtige Aspekte menschlichen Verhaltens und den Folgen für Wirtschaft, Kommunikation, sozialen Zusammenhalt und Mobilität befasst. Dr. Annika Heike Stechemesser hat an der Universität Potsdam und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) promoviert.
Prof. Ralf Engbert begründet die Entscheidung der Jury: „Die Arbeiten von Dr. Annika Stechemesser ermöglichen ein tiefgreifenderes Verständnis der Veränderungen menschlichen Verhaltens, die von steigenden Temperaturen durch den Klimawandel ausgelöst werden. Um datenbasierte quantitative Analysen durchführen zu können, hat Frau Stechemesser mit einer beeindruckenden Bandbreite an Forschungsmethoden gearbeitet, von Techniken des maschinellen Lernens auf großen Datensätzen (Social Media, Mobilitätsdaten) bis hin zu ökonometrischen Methoden. Die Ergebnisse der Dissertation sind in sieben Artikeln in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften (u.a. The Lancet Planetary Health, Nature Climate Change) publiziert worden. Derzeit setzt Frau Dr. Stechemesser ihre wissenschaftliche Arbeit am Thema fort und konnte erst kürzlich eine bahnbrechende Analyse klimapolitischer Maßnahmen im Journal Science veröffentlichen. Die Exzellenz ihrer Promotion und der darauf aufbauenden Arbeiten trägt so auch unmittelbar zur Sichtbarkeit des Wissenschaftsstandorts Potsdam bei.“
Davon ist auch Oberbürgermeister Mike Schubert überzeugt: „Die Forschung von Frau Dr. Stechemesser trägt dazu bei, das menschliche Verhalten in einer sich erwärmenden Welt besser zu verstehen. Mit Auswahl dieser Arbeit können wir das Ansehen Potsdams als Stadt einer lebendigen und zukunftsorientierten Wissenschaft festigen.“
Dr. Annika Heike Stechemesser freut sich über die Auszeichnung: „Der Potsdamer Nachwuchswissenschafts-Preis ist für mich eine wichtige Anerkennung und Motivation, weiter intensiv an den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen des Klimawandels zu arbeiten. Die Auszeichnung zeigt, dass ich mit meiner Forschung einen Beitrag zu einem Thema von hoher gesellschaftlicher Relevanz leiste. Als Forscherin, die in Potsdam lebt und arbeitet, bedeutet mir diese Wertschätzung sehr viel. Ich danke meinem Doktorvater Prof. Dr. Anders Levermann und meiner Betreuerin Dr. Leonie Wenz sowie meinen Kolleginnen und Kollegen für die wertvolle Unterstützung und den gemeinsamen Austausch, ohne den diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Der Potsdamer Nachwuchswissenschafts-Preis motiviert mich, meine Forschung fortzusetzen und einen praktischen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels zu leisten.“
Dr. Leonie Wenz, Leiterin der Arbeitsgruppe „Datenbasierte Analyse klimarelevanter Entscheidungsprozesse“ am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, ergänzt: „Annika Stechemesser hat in ihrer Doktorarbeit auf äußerst kreative Weise gezeigt, wie die Folgen des Klimawandels unser tagtägliches Verhalten beeinflussen. Dazu hat sie große Mengen Daten, z.B. aus den sozialen Medien, von Navigationsanfragen und U-Bahn-Drehkreuzen mittels verschiedenster Methoden der Ökonomie und des maschinellen Lernens analysiert. Ihre Ergebnisse deuten auf starke Ungleichheiten und Grenzen bei unseren Möglichkeiten zur Anpassung hin.“
Die Preisverleihung findet am 29. November 2024 ab 19 Uhr im Rahmen der Festveranstaltung zum Einsteintag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW) im Nikolaisaal statt. Der Jury lagen in diesem Jahr 16 Nominierungen vor.
Hintergrundinformationen
Zur Person
Dr. Annika Heike Stechemesser wurde 1994 in Oberhausen geboren. Dr. Stechemesser absolvierte ein Bachelor-Studium Mathematik an der Universität Duisburg-Essen und anschließend mit Unterstützung durch ein Stipendium des Forschungsrates für Ingenieur- und Naturwissenschaften (EPSRC) ein Master-Studium Mathematik für Real-World-Systeme an der University of Warwick, Großbritannien. Die Promotion erfolgte an der Universität Potsdam und dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Hier war Dr. Stechemesser in der Abteilung Komplexitätsforschung bei Prof. Dr. Anders Levermann und Dr. Leonie Wenz tätig. Seit 2023 forscht Dr. Annika Heike Stechemesser als Postdoktorandin im Future Lab CERES bei Prof. Dr. Ottmar Edenhofer und Dr. Nicolas Koch zur Umweltökonomie.
Zur Arbeit
„Human behaviour in a warming world – Empirical evidence from social media and mobility data” – vorgelegt von Annika Stechemesser
Angetrieben durch menschliche Emissionen verändert sich das Klima der Erde schneller als je zuvor. Der Mensch ist nicht nur Verursacher des Klimawandels, sondern ist umgekehrt auch von dessen Auswirkungen betroffen, da sich Veränderungen der Umwelt auch in Veränderungen des menschlichen Verhaltens niederschlagen. Es ist wichtig, den Zusammenhang zwischen Klimawandel und menschlichem Verhalten zu verstehen, um Kosten abzuschätzen, Anpassungsstrategien zu entwickeln und gefährdete Bevölkerungsgruppen zu identifizieren. In meiner Dissertation präsentiere ich sieben wissenschaftliche Artikel, die untersuchen, wie der Klimawandel und andere Krisen menschliches Verhalten beeinflussen. Um Verhaltensänderungen zu analysieren verwende ich ökonometrische Methoden, Methoden des maschinellen Lernens und ein theoretisches Modell. Meine Analyse zeigt Temperaturauswirkungen auf menschliches Verhalten mit Folgen für die Wirtschaft, Kommunikation, den sozialen Zusammenhalt und die Mobilität.
Zwei Artikel der Arbeit konzentrieren sich zum Beispiel auf die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Aggression, Hassrede und Rassismus in den sozialen Medien in den USA und Europa. Ich zeige, dass online Hassrede auf Twitter/X bei moderaten Temperaturen, an die wir gewöhnt sind, am niedrigsten ist und dann mit höheren und niedrigeren Temperaturen stark ansteigt. Für den Artikel, der sich auf die USA fokussiert, habe ich einen Datensatz mit mehr als vier Milliarden Tweets aus den Jahren 2014-2020 und mehr als 770 US Städten erstellt. Die Ergebnisse zeigen, dass die genauen Wohlfühl-Temperaturfenster für verschiedene US-Klimazonen variieren. Temperaturen über 30°C sind jedoch über alle Klimazonen hinweg sowie unabhängig von sozioökonomischen Faktoren, religiösen Überzeugungen oder politischen Präferenzen mit einer starken Zunahme von online Hassrede verbunden. Dies weist auf Grenzen der Anpassungsfähigkeit an extreme Temperaturen hin.
Die Frage nach Anpassung an extreme Temperaturen steht auch im Mittelpunkt eines weiteren Artikels, der sich mit den Auswirkungen von Hitzestress auf die Mobilität befasst. Anhand von Daten der New Yorker U-Bahn-Drehkreuze fand ich heraus, dass ärmere Menschen weniger Möglichkeiten haben ihr Mobilitätsverhalten an Hitze anzupassen um überhitzte U-Bahn-Stationen zu meiden. Konkret habe ich gezeigt, dass in weniger privilegierten Nachbarschaften, in denen Menschen beispielsweise mit geringerem Einkommen, kleineren Wohnungen, kaum Zugang zu Krankenversicherungen und weniger Klimaanlagen leben, die U-Bahn auch an heißen Tagen weiter genutzt wird. Im Ergebnis bedeutet dies, dass sich Hitze- und Gesundheitsrisiken verstärken. Darüber hinaus untersuche ich anhand von Mobilitätsdaten, wie Menschen auf langanhaltende Gefahren wie die Covid-19-Pandemie reagieren. Die Analyse zeigt, dass die Risikowahrnehmung und die Reaktionen der Menschen mit der Zeit abnehmen, sogar noch bevor es Impfstoffe gab, was wichtige Erkenntnisse für den Umgang mit langfristigen Krisen wie dem Klimawandel liefert.
Insgesamt trägt die Arbeit zu einem umfassenderen Verständnis des menschlichen Verhaltens in einer sich erwärmenden Welt bei. Durch den datengestützten und interdisziplinären Ansatz werden die vielfältigen Auswirkungen der steigenden Temperaturen und der jüngsten Krisen auf sozioökonomischen Indikatoren über menschliches Verhalten aufgedeckt.