
Nach 31 Jahren erfolgreicher Arbeit als Potsdamer Ausländer- und Integrationsbeauftragte tritt Magdolna Grasnick Ende Januar ihren Ruhestand an. Die gebürtige Ungarin blickt auf eine interessante und spannende Zeit zurück. In der Potsdamer Bevölkerung sieht sie heute großes Engagement für die Belange von Menschen mit Migrationshintergrund.
„Wir haben eine wunderbare Zivilgesellschaft“, sagt Magdolna Grasnick über die Potsdamer Bevölkerung. „2015, als viele Geflüchtete kamen, gab es großes Engagement in unterschiedlichsten Stadtteilen. Überall haben sich die Anwohner gemeldet um zu fragen, wie sie helfen können. Sie haben Vereine gegründet, die Kirchengemeinden haben sich engagiert. Das ist ein guter Indikator und zeigt, wie viel Engagement in der Stadtgesellschaft da ist“, so Grasnick. „Sehr wichtig waren die breiten Beteiligungsprozesse bei der Erarbeitung des Lokalen Aktionsplans für Toleranz und Demokratie für die Landeshauptstadt Potsdam (2002) sowie des Neuen Potsdamer Toleranzedikts (2008). Die Aktivitäten im Bündnis `Potsdam! bekennt Farbe´ und des Vereins `Neues Potsdamer Toleranzedikt´ prägen Potsdam und geben viel Kraft für einen gelingenden Integrationsprozess“, sagt Grasnick.
Am 1. September 1990 hat Magdolna Grasnick als Ausländerbeauftragte ihre Arbeit aufgenommen. „Die Wende- und Nachwendejahre waren ein einschneidendes Erlebnis“, sagt Magdolna Grasnick. „Zu meinen ersten Aufgaben zählte die Unterstützung von 16 vietnamesischen DDR-Vertragsarbeitern, die durch die Wende beim VEB Bau- und Montagekombinat arbeitslos geworden waren. Als Ausländerbeauftragte suchte ich mit ihnen nach Unterkünften und unterstützte sie bei der Ebnung ihres beruflichen Weges. Für die ersten jüdischen Zuwanderer aus der Sowjetunion habe ich mich um Wohnraumvermittlung bemüht und Deutschkurse und deren Finanzierung organisiert“, so Grasnick. „Schön, dass das jüdische Leben in Potsdam wieder wächst und im vergangenen Jahr die Grundsteinlegung der Synagoge in der Landeshauptstadt erfolgen konnte. Ich freue mich besonders auch über die Gründung und die Aktivitäten des Potsdamer Interreligiösen Forums.“
1991 lag der Anteil der Nicht-Deutschen Bevölkerung bei 0,8 Prozent, im Jahr 2021 liegt dieser Anteil bei 9,4 Prozent. „Potsdam ist eine wachsende Kommune geworden und wir sind ein Wissenschafts-Standort. Unsere Stadt ist eine weltoffene Stadt und gibt ein neues Zuhause für Menschen verschiedener Herkunft – stammend aus über 140 Ländern der Welt“, so Grasnick.
Eine wichtige Erinnerung für die Integrationsbeauftragte ist der Sommer 1991. Fünf Jahre nach dem Atomreaktorunglück in Tschernobyl fuhr sie gemeinsam mit Kolleginnen aus dem Jugendamt los, um Kinder aus der Gegend um Tschernobyl für einen Ferienaufenthalt nach Potsdam zu holen und ihnen in Potsdam unbeschwerte und erholsame Tage zu ermöglichen. Zu den Streitkräften der Sowjetarmee pflegte die Ausländerbeauftragte vielfältige Kontakte, sei es, um deren Kindern noch kurz vor dem Abzug entsprechende Impftermine zu vermitteln, wie es das Gesundheitsamt empfahl oder während der Weihnachtszeit Potsdamer Offiziersfamilien der Sowjetarmee Geschenke der Potsdamer Bevölkerung zu überbringen.
Ende der 90er-Jahre lernte Magdolna Grasnick eine ehemalige Zwangsarbeiterin aus Belarus kennen. Aus diesem Kontakt entstand ein für sie sehr wichtiges Begegnungsprojekt zwischen dem Potsdamer Frauenzentrum, dem Verein Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück und einem Altenheim auf der Krim.
Während ihrer Amtszeit hat sich Magdolna Grasnick für den Aufbau vielfältiger Integrationsstrukturen eingesetzt. So initiierte sie 1991 zusammen mit dem Verein Initiative für Ausländer als eine der ersten ostdeutschen Kommunen die Beteiligung Potsdams an der jährlichen bundesweiten „Woche der ausländischen Mitbürger“, die heute als Interkulturelle Woche bekannt ist. Magdolna Grasnick sagt: „Die interkulturelle Woche ist in Potsdam mittlerweile eine feste Tradition und der feierliche Jahreshöhepunkt für alle Beteiligten in der Potsdamer Integrationsarbeit. Die zum Nachdenken anregenden aber auch lebendig-fröhlichen Veranstaltungen zeigen, wie facettenreich das interkulturelle Leben in Potsdam mittlerweile ist.“ Seit 2005 wird zudem jährlich der Integrationspreis verliehen.
Als einen großen Fortschritt bezeichnet die Integrationsbeauftragte die im Jahr 1992 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossene Gründung des Potsdamer Ausländerbeirates. „Für die damalige Zeit war das politisch nicht selbstverständlich und ich war sehr froh darüber, dass uns dies so schnell in Potsdam gelungen ist. Damit war der Grundstein für die politische Partizipation von Migrant*innen gelegt“, so Grasnick.
Magdolna Grasnick beförderte die Gründung des Fördervereins des Flüchtlingsrates Brandenburg sowie des Aufbaus der Beratungsstrukturen für Migrant*innen.
Als die Potsdamer Stadtverordneten im Jahr 2008 das erste Integrationskonzept beschlossen, das unter ihrer Federführung in einem breiten Beteiligungsprozess entstanden war, veränderte sich auch die fachlich-inhaltliche Arbeit der Integrationsbeauftragten. Während ab den 90er-Jahren individuelle Hilfestellung, Unterstützung und Ombudsfunktion die hauptsächliche Rolle der Integrationsbeauftragten waren, stehen heute verstärkt Konzeptentwicklung sowie Strategie- und Steuerungsfragen der Integrationsarbeit im Vordergrund.
Aus diesem Grund ist für Magdolna Grasnick auch die Transparenz über den Stand und den Verlauf des Integrationsprozesses anhand objektiver Daten unerlässlich für eine erfolgreiche Gestaltung der Integrationspolitik. 2010 erstellte sie gemeinsam mit dem Büro für Chancengleichheit und Vielfalt das erste Integrationsmonitoring, das seither regelmäßig mit Unterstützung des Bereichs Statistik und Wahlen der Stadtverwaltung erstellt wird und das im Land Brandenburg seinesgleichen sucht.
Nach mehr als 30 Jahren engagierter Arbeit für die Stadtgesellschaft bedankt sich Magdolna Grasnick bei vielen Mitstreitenden und Kolleg*innen. Allen voran dankt sie dem Oberbürgermeister für seine ernsthafte Unterstützung der Integrationsarbeit, den Stadtverordneten für deren ehrenamtliches Engagement, sowie ihrem Team im Büro für Chancengleichheit und Vielfalt, auf das sie immer zählen konnte und dem Migrantenbeirat. „Weiterhin Danke an alle Menschen, die die Migrations- und Integrationsarbeit in Potsdam unterstützt haben und mit mir ein Stück des Weges gemeinsam gegangen sind“.
Im Amt der Beauftragten für Migration und Integration der Landeshauptstadt Potsdam folgt Dr. Amanda Palenberg auf Magdolna Grasnick. Am 1. Dezember hat die heute 29-jährige ihr Amt als neue Integrationsbeauftragte angetreten. Bereits im September wurde sie von den Stadtverordneten für die Dauer von fünf Jahren gewählt.