Am 10. November 1989 wurde die Grenze zwischen Ost und Berlin und Potsdam an der Glienicker Brücke wieder geöffnet – 32 Jahre später erinnerten am Mittwoch Oberbürgermeister Mike Schubert, Ministerin Kathrin Schneider und Apostolos Tzitzikostas, Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen, gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des Landtages, der Stadtverordnetenversammlung und den Potzsdamerinnen und Potsdamern. Musikalisch wurde die Veranstaltung durch den Liedermacher Detlef Jablonski gestaltet.
„28 Jahre trennte brachial die meterhohe Mauer aus Beton Ost und West, durchschnitt rücksichtslos die Kulturlandschaft, riss Menschen auseinander und entzweite sie“, sagte Oberbürgermeister Mike Schubert. „Wenn wir heute auf den November 1989 zurückschauen und die dann folgenden 32 Jahre Revue passieren lassen, dann zeigt sich, so meine ich: Wir sind ein größeres und vielfältigeres und ein zusammengewachsenes Land der Freiheit und Demokratie geworden“, so Schubert.
Der 10. November 1989 gehört zu den großen glücklichen Momenten der Potsdamer Stadtgeschichte. Mit den Herbstprotesten in der gesamten ehemaligen DDR und dem Eintreten mutiger Männer und Frauen für Demokratie, Freiheit und Selbstbestimmung wurde die Berliner Mauer nach mehr als 28 Jahren ihres Bestehens in der Nacht vom 9. auf dem 10. November 1989 geöffnet. Ein neues Kapitel deutsch-deutscher Geschichte wurde damit eingeleitet. Am 10. November 1989 konnte schließlich auch die Glienicker Brücke grenzüberschreitend passiert werden. Seither gilt die Glienicker Brücke als überregionales Symbol sowohl für die deutsch-deutsche Teilung als auch für die Wiedergewinnung der Freiheit und der deutschen Einheit.
Zehn Jahre nach diesem geschichtsträchtigen Ereignis stellte die Fördergemeinschaft „Lindenstraße 54“, die die Gedenkstunde gemeinsam mit der Landeshauptstadt organisiert, am 10. November 1999 an der Glienicker Brücke die vom Künstler Wieland Förster geschaffene NIKE ‘89 auf. Sie erinnert eindrucksvoll an die Freiheitsbewegung und gedenkt zugleich der Opfer des diktatorischen Systems in der DDR.
Die Rede von Oberbürgermeister Mike Schubert dokumentiert
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit der Öffnung der Glienicker Brücke am 10. November 1989 wurde dieser symbolträchtige Ort der Teilung wieder zu einem Ort der Verbindung. Etliche von Ihnen waren damals dabei und viele von Ihnen werden die Fotos kennen von dem unglaublichen Moment, als die Berliner Mauer und die deutsch-deutsche Teilung Geschichte wurden. Eine nicht enden wollende Autokolonne drängte von Potsdam über die Glienicker Brücke nach West-Berlin. Potsdamerinnen und Potsdamer strömten auf die fast drei Jahrzehnte unerreichbare Seite. Berlinerinnen und Berliner kamen ihnen entgegen. Spontane Umarmungen. Tränen der Freude. Und immer wieder hörte man das Wort der Stunde: Wahnsinn.
Ja, Wahnsinn war das in dem Moment, der zu einem historischen Moment der Weltgeschichte wurde. Nur Wochen und Monate zuvor war noch überhaupt nicht absehbar, dass das Bollwerk des SED-Regimes einmal ins Wanken kommen und schließlich zu Fall gebracht werden sollte.
28 Jahre trennte brachial die meterhohe Mauer aus Beton Ost und West, durchschnitt rücksichtslos die Kulturlandschaft, riss Menschen auseinander und entzweite sie. Der Grenzübergang hier an dieser Stelle gewährte allenfalls freigekauften Spionen den Übergang.
Doch der Freiheitsdrang der Menschen in Osteuropa stellten Mauer und Eisernen Vorhang zunehmend in Frage und ebnete den Weg für die ostdeutsche Freiheits- und Demokratiebewegung. Der Beginn dieser Bewegung bildete eine kleine Minderheit, die für Bürgerrechte, Freiheit und Demokratie einstand und bewusst Benachteiligungen, Verfolgung und Inhaftierung in Kauf nahm. Lassen Sie uns ausdrücklich an dem heutigen Tag nicht die Tausenden Opfer des SED-Regims vergessen, die an der Mauer bei ihren Fluchtversuchen in die Freiheit getötet wurden. Und lassen Sie uns auch nicht die etwa 75.000 Menschen vergessen, die wegen Republikflucht inhaftiert waren. Ebenso möchte ich an all jene Menschen erinnern, die vom SED-Regime bespitzelt, denunziert und gegängelt wurden. Dennoch konnten die Machthaber es nicht verhindern: Die im eigenen Land eingesperrten Menschen brachten ihren Protest mutig und couragiert auf die Straßen und Plätze. Bis dieser zu einem Massenprotest anwuchs. Wer damals zu den Demonstrationen ging, wer am 4. Oktober 1989 in die Babelsberger Friedenskirche zur ersten großen Informationsveranstaltung des Neuen Forums ging und sich an den folgenden Protesten beteiligte, der spürte, was alle spürten: Angst. Alle, die damals dabei waren, fragten sich: Was wird werden? Bleibt es friedlich?
Mit der Kerze in der Hand und mitten unter den vielen anderen Menschen kam dann jedoch der Moment, in dem sich die Angst auflöste und einem vereinten Mut wich. Dieser Moment war in Potsdam der 4. November, als Tausende Potsdamerinnen und Potsdamer zum Platz der Nationen, dem heutigen Luisenplatz, strömten. Damals spürten die Menschen, dass das, was sie so ersehnten, zum Greifen nahe war: die Freiheit.
Es erschien, als könne die Freiheit alles möglich machen: frei denken, frei sprechen, frei reisen. Die Angst, die damals überwunden wurde, erbrachte die Freiheit zu handeln und zu gestalten.
Nach dem überwältigenden Taumel des 9. und 10. Novembers 1989 zeigte sich freilich sehr bald, dass Freiheit auch sehr herausfordernd ist. Millionen von Ostdeutschen haben die Erfahrung machen müssen, was es bedeutet, mit den neuen Freiheiten auch umzugehen. Völlig neue Erfahrungen zu sammeln, die viele auch überforderten und die doch von vielen gemeistert wurden.
Wenn wir heute auf den November 1989 zurückschauen und die dann folgenden 32 Jahre Revue passieren lassen, dann zeigt sich, so meine ich: Wir sind ein größeres und vielfältigeres und ein zusammengewachsenes Land der Freiheit und Demokratie geworden.
Vielen Dank!
Die Rede des Präsidenten des Europäischen Ausschusses der Regionen, Apostolus Tzitzikostas, dokumentiert
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte Ihnen für die Ehre danken, heute hier in Potsdam der Opfer der DDR zu gedenken, die für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gestorben sind. Ich bin, genauso wie sicher alle von Ihnen, entschieden gegen jede Form von Totalitarismus, wie Faschismus, Kommunismus und Diktatur und gegen alle Versuche gegen liberale Demokratien und Rechtsstaatlichkeit, die wir heute sehen.
In einer Zeit, in der Extremisten und Populisten sagen, dass die Tage der Demokratie gezählt sind oder dass die Demokratie überholt ist, denke ich das Gegenteil: Wir müssen für das eintreten, was richtig ist.
In den letzten Tagen habe einmal mehr gesehen, dass Deutschland, deutsche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, wie Mike Schubert, und deutsche Bürgerinnen und Bürger dabei unsere stärksten Verbündeten sind! In unseren Städten und Gemeinden, aber auch in den Regionen.
Gleichzeitig ist es mir eine Ehre, einen Tag nach dem Gedenken an den Fall der Mauer in Berlin zu Ihnen nach Potsdam zu kommen, diesen historischen Tagen, als zunächst die Mauer in Berlin, in Deutschland und später in Europa fiel.
Ohne die Wiedervereinigung Deutschlands gäbe es unsere wertebasierte Europäische Union, wie wir sie heute kennen, nicht.
Und diese Brücke symbolisiert perfekt die Notwendigkeit, innerhalb Europas Brücken zwischen unseren 90 000 Kommunen in der Europäischen Union und den 240 Regionen zusammen mit unseren Bürgerinnen und Bürgern zu bauen. Jetzt, in der stärker geeinten Europäischen Union, brauchen wir mehr Zusammenarbeit in den Grenzregionen, wie zwischen Deutschland und Polen und vielen anderen Ländern. Unsere Vielfalt ist ein Schatz, und wir müssen unsere europäische Identität zusätzlich zu unserer nationalen Identität fördern.
Städte, Regionen und Dörfer, sowohl im Laufe unserer Geschichte als auch auf unserem gemeinsamen Weg in die Zukunft, spielen eine unverzichtbare Rolle für das europäische Projekt.
Sie sind die Grundpfeiler, um unsere Werte gegen Extremisten und Populisten zu verteidigen.
Lassen Sie uns also weiterhin auf allen Ebenen Brücken bauen, lassen Sie uns die deutsche und europäische Einigung feiern und dabei nicht vergessen, welche Mühen die Menschen auf sich genommen haben, um dorthin zu gelangen, wo wir heute stehen.
Ich danke Ihnen.