Pressemitteilung Nr. 837 vom 01.12.2017 Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis 2017 für eine Arbeit zur Impfung gegen den Krankenhauskeim Clostridium difficile

Bekam im vergangenen Jahr den Preis: Dr. Felix Bröcker, mit Oberbürgermeister Jann Jakobs.
© Landeshauptstadt Potsdam/Robert Schnabel
Bekam im vergangenen Jahr den Preis: Dr. Felix Bröcker, mit Oberbürgermeister Jann Jakobs. Foto: Landeshauptstadt Potsdam/Robert Schnabel

    Dr. Felix Bröcker wurde beim heutigen Einsteintag der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften von Potsdams Bürgermeister Burkhard Exner mit dem Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis ausgezeichnet. Dr. Bröcker erhält den mit 5.000 Euro dotierten Preis für seine herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Naturwissenschaften. Der Preis wird in diesem Jahr zum 11. Mal vergeben.

    Mit seiner von der Jury ausgezeichneten Dissertation „Towards vaccines and therapeutic antibodies against Clostridium difficile based on synthetic glycans“ hat Dr. Bröcker die Grundlage für die Entwicklung eines Impfstoffes gegen den Krankenhauskeim Clostridium difficile, ein Darmbakterium, gelegt. Juryvorsitzender Jann Jakobs begrüßt ausdrücklich, dass eine Forschungsarbeit zu einem gesellschaftlich derart relevanten Thema ausgezeichnet wird. „Die Resistenz von Bakterien gegen Antibiotika ist ein Problem in unserem Gesundheitswesen, mit dem sich auch der Krankenhausstandort Potsdam befassen muss. Ich bin begeistert, dass es einem Forscher, der am Beginn seiner wissenschaftlichen Karriere steht, gelungen ist, die Entwicklung so stark voranzubringen. Dass eine Ausgründung der Max-Planck-Gesellschaft an der klinischen Entwicklung des Impfstoffes weiterarbeitet, zeigt einmal mehr die Exzellenz des Wissenschaftsstandortes Potsdam und der im Wissenschaftspark Golm angesiedelten Forschungseinrichtungen.“

    Der Direktor des Max-Planck-Institutes für Kolloid- und Grenzflächenforschung Prof. Dr. Peter H. Seeberger freut sich darüber, dass der von ihm vorgeschlagene Kandidat ausgezeichnet wird: „Max Planck sagte einmal: ‚Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen ‘. Die Dissertation von Felix Bröcker ist ein perfektes Beispiel für die Wahrheit dieser Aussage! Mit seinen Arbeiten hat Dr. Bröcker grundlegende und bahnbrechende biochemische Erkenntnisse zu den spezifischen Zuckerstrukturen auf der Oberfläche des Erregers und der Immunantwort des menschlichen Immunsystems gewonnen. Seine Forschung war Grundlage für die Entwicklung eines Impfstoffkandidaten gegen den Krankenhauskeim Clostridium difficile. Das Darmbakterium befällt jährlich viele Menschen, auch in Deutschland, und ist immer öfter gegen Antibiotika resistent. Felix Bröcker hat in enger Zusammenarbeit mit den Chemikern in unserer Abteilung maßgeblichen Anteil daran, dass ein Impfstoffkandidat identifiziert werden konnte und derzeit in vorklinischen Tests steht. Es ist sehr selten, dass eine solche Leistung während einer Dissertation gelingt. Diese Auszeichnung macht die gesamte Abteilung sehr stolz!“

    Dr. Felix Bröcker freut sich über die Auszeichnung: „Die Auszeichnung bestätigt, dass meine Arbeit von hohem wissenschaftlichem und gesellschaftlichem Interesse ist. Der Preis ermutigt mich, die Impfstoff-Forschung mit ganzem Einsatz weiterzuverfolgen. Unsere Ergebnisse sind ein großartiges Beispiel dafür, wie die Grundlagenforschung klinisch relevante Anwendungsmöglichkeiten hervorbringen kann. Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Seeberger, meinen ehemaligen KollegInnen am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung sowie den vielen weiteren Personen, die zum Erfolg dieser Arbeit beigetragen haben. Ich freue mich, dass das Projekt weiter verfolgt wird und hoffe, dass unser Impfstoff schon bald Patienten helfen kann. Momentan setze ich die Impfstoff-Forschung bei einem Forschungsaufenthalt als Postdoc an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York fort. Hier liegt der Fokus auf viralen Erkrankungen. Anschließend würde ich gern an den starken Forschungsstandort Potsdam/Berlin zurückkehren, wo ich stets viel Unterstützung erfahren habe.“

    Dr. Bröcker wurde 1985 in Berlin geboren. Nach dem Abitur studierte er zunächst Biotechnologie an der Technischen Universität Berlin. Das Studium schloss er im Jahr 2011 mit der Gesamtnote 1,1 ab. Seine Doktorarbeit erstellte Dr. Bröcker am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung und an der Freien Universität Berlin. Er wurde  im Oktober 2016 mit der Gesamtnote „summa cum laude“ als Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) promoviert. Während des Studiums absolvierte Dr. Bröcker verschiedene Praktika im In- und Ausland und arbeitete für Prof. Dr. Karin Moelling am Institut für Medizinische Mikrobiologie an der Universität Zürich sowie am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Seit Januar 2017 ist er als Postdoktorand in der Abteilung Mikrobiologie an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai in New York tätig. Sein zweijähriger Aufenthalt dort wird über ein Postdoc-Stipendium der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina finanziert. 

    Die Jury tagte unter Vorsitz von Oberbürgermeister Jann Jakobs. Außer ihm gehörten Prof. Dr. Ulrich Buller, ehem. Forschungsvorstand der Fraunhofer-Gesellschaft, Prof. Dr. Rolf Emmermann, ehem. Vorstand des Deutschen Helmholtz Zentrum GFZ, Prof. Dr. Heinz Kleger von der Universität Potsdam, Prof. Dr. Ralf Engbert von der Universität Potsdam, Prof. Dr. Bernd Müller-Röber von der Universität Potsdam sowie Prof. Dr. Susan Neiman vom Einsteinforum der Jury an. Prof. Dr. Ulrich Buller (ehem. Forschungsvorstand der Fraunhofer-Gesellschaft) berichtet aus der Jurysitzung: „Kohlenhydrate wie Zucker, Stärke und Cellulose sind aus dem täglichen Leben gut bekannt; weniger ist uns die Vielfalt der Kohlenhydratstrukturen gegenwärtig, die beispielsweise jede Zelle ummanteln und u.a. die Zell-Zell-Kommunikation herstellen. Dr. Felix Bröcker ist es gelungen, diese Eigenschaften der Kohlenhydrate (Di- und Oligosaccharide) für die Entwicklung eines Impfstoffkandidaten zu nutzen und die Wirksamkeit im Tier zu zeigen. Impfstoff und dementsprechende Antikörper werden in einer Ausgründung kommerzialisiert. So ist die Entscheidung bei mehreren sehr guten Bewerbungen für Felix Bröcker ausgefallen.“ In diesem Jahr lagen 14 Arbeiten vor. 

    Hintergrundinformationen zur ausgezeichneten Arbeit

    Etwa 40 % der stationären Patienten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen tragen das Darmbakterium Clostridium difficile in sich. Der Erreger hat bei ihnen leichtes Spiel: Da die Darmflora der Patienten häufig durch Antibiotikabehandlungen geschädigt ist, kann er sich ungehindert ausbreiten und Durchfälle bis hin zu tödlichen Darmentzündungen auslösen. Genau hier setzen die wissenschaftlichen Untersuchungen von Dr. Felix Bröcker an. In seiner Doktorarbeit untersuchte der Nachwuchswissenschaftler neue Wege zur Therapie und Vorbeugung von C. difficile-Infektionen auf Basis künstlicher Zuckermoleküle. Solche Zuckermoleküle aktivieren das Immunsystem und könnten als Impfstoff gegen C. difficile-Bakterien wirken.

    Das häufig antibiotikaresistente C. difficile Bakterium ist eine akute medizinische Herausforderung. Es befällt Patienten in Krankenhäusern und allein in der EU erliegen jährlich etwa 15.000 Menschen der Infektion. Felix Bröcker entwickelte gemeinsam mit Kollegen am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung eine Substanz, die eine Immunantwort gegen das Darmbakterium auslöst. Die Substanz ähnelt den Zuckerstrukturen auf der Oberfläche des Bakteriums, die als direkter Angriffspunkt für Impfstoffe infrage kommen und trainiert daher das Immunsystem darauf, den Erreger zu erkennen. Impfstoffstudien wurden jedoch bisher erschwert, da C. difficile diese Zucker nur in geringen Mengen produziert, sobald es außerhalb seines natürlichen Lebensraums im Labor vermehrt wird.

    Anstatt kleine Mengen der Oberflächenzucker mühsam aus kultivierten C. difficile-Bakterien zu gewinnen, nutzte Dr. Bröcker künstliche, chemisch synthetisierte Zucker, die von Chemikern in der Arbeitsgruppe von Prof. Peter H. Seeberger generiert wurden. Sie ahmen die natürlichen Zucker perfekt nach.

    Der Wissenschaftler stellte einen Impfstoff her, indem er die Zuckermoleküle chemisch an ein Protein koppelte. Dies war nötig, da das Immunsystem die meisten Zucker an sich nicht als fremd erkennt und deshalb keine Antikörper gegen sie produziert. In proteingebundener Form jedoch riefen die künstlichen C. difficile-Zucker in Mäusen die gewünschten zuckerbindenden Antikörper hervor. Die geimpften Mäuse waren gegen C. difficile-Infektionen geschützt. Die Besiedlung des Darms durch das schädliche Bakterium war 100-fach niedriger als in Kontrolltieren. Auch der Entzündung des Darmtrakts, eine Folge der Krankheit, konnte durch die Impfung vorgebeugt werden.

    Die direkte Gabe der schützenden, zuckerbindenden Antikörper könnte für Patienten mit akuten C. difficile-Infektionen ebenfalls eine lebensrettende Maßnahme sein. Dr. Bröcker produzierte zunächst große Mengen zuckerbindender monoklonaler Antikörper gegen die C. difficile-Zucker in der Petrischale. Tatsächlich waren Mäuse, denen diese Antikörper verabreicht wurden, gegen C. difficile-Infektionen geschützt. Die monoklonalen Antikörper könnten in Zukunft therapeutische Anwendung bei schweren Krankheitsfällen finden, wenn Antibiotika wirkungslos bleiben.

    Momentan werden die Impfstoffkandidaten und monoklonalen Antikörper in einem weiteren Tiermodell, dem Hamster, getestet. Anschließend sollen beide Ansätze so schnell wie möglich für Patienten verfügbar gemacht werden. Dazu kooperiert die Arbeitsgruppe von Prof. Seeberger am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung mit der Vaxxilon AG (Reinach, Schweiz), die auf die Entwicklung von Kohlenhydrat-Impfstoffen spezialisiert ist.

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