Einen Tag vor der Brandenburger Landtagswahl und diese ergänzend, organisierte Wir Wählen Potsdam eine Symbolwahl in Potsdam. 144 der 20.500 von der offiziellen Wahl ausgeschlossene Potsdamer:innen gaben am 21. September 2024 in einem der elf Wahllokale ihre Stimme ab und machten damit auf das noch brach liegende Demokratiepotential von Menschen ohne deutschen Pass aufmerksam. Fereshta Hussain, Mitorganisatorin und Vorsitzender des Migrantenbeirats der Stadt Potsdam, überreichte die Ergebnisse der Symbolwahl heute der Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg, Diana Gonzalez Olivo.
Stärkste Kräfte bei der Symbolwahl in Potsdam am 21.9.2024 wurden SPD und DIE LINKE (jeweils 32,8 Prozent), gefolgt von den Grünen (13,5 Prozent), CDU (8,5 Prozent), und BSW (5 Prozent). Bei den offiziellen Brandenburger Landtagswahlen am 22.9.2024 gewann die SPD in Potsdam die meisten Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von 78,8 Prozent. Dass die anteilige Wahlbeteiligung gemessen an der Potsdamer Gesamtbevölkerung (ab 16 Jahren) lediglich bei 68,6 liegt, wissen nur wenige.
„In Deutschland lebende Menschen aus Nicht-EU-Staaten, unabhängig davon, wie lange sie ihren Lebensmittelpunkt im Land Brandenburg haben, sind immer noch nicht wahlberechtigt. Und das auch nach mehr als 50 Jahren inner- und außerparlamentarischer Debatten und Initiativen. Bisher werden diese sogenannten Drittstaatler:innen von den Wahlen ausgeschlossen. EU-Bürger:innen dürfen bereits seit den 1990ern zumindest auf kommunaler Ebene wählen. Von den Landtagswahlen sind sie allerdings auch ausgeschlossen“, so Frau Gonzalez Olivo.
„Das hat auch zur Folge, dass die meisten Parteien Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit nicht als potenzielle Wählende sehen und nicht um ihre Stimme werben. Die aktuell aufgeheizte Diskussion zum Thema (Flucht-)Migration zeigt deutlich, wie wenig sie als potenzielle Wähler:innengruppe wahrgenommen werden. Ihre Anliegen werden weder berücksichtigt noch adressiert.“
Mit der politischen Aktionsform der symbolischen Wahl forderte WIR WÄHLEN Potsdam, als Teil des bundesweiten Netzwerks WIR WÄHLEN und der Kampagne „Hier lebe ich, hier wähle ich“, daher das Wahlrecht für alle sowie die gleichberechtigte politische Teilhabe aller hier lebenden Menschen. „Erst wenn wir die Ergebnisse der Symbolwahl zu den Ergebnissen der offiziellen Wahlen hinzurechnen, ergibt sich ein stimmiges Bild.“, ergänzt die Vorsitzende des Migrantenbeirats. „Wir ermutigen Nicht-Wahlberechtigte das Recht auf politische Teilhabe zu fordern, sich mit den politischen Parteien und ihren Programmen zu beschäftigen und so auf den Tag vorzubereiten, an dem sie das Wahlrecht endlich ausüben dürfen.“
In den Wahllokalen in verschiedenen Potsdamer Stadtteilen konnten sich auch Wahlberechtigte mit der Frage auseinandersetzen, wie sie zum Wahlrecht für alle stehen. Weltweit können sog. non-citizens in über 50 Demokratien ein Wahlrecht auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene ausüben. Dafür, dass auch Deutschland ein zeitgemäßes Wahlrecht einführt, setzen sich alle Beteiligten von Wir Wählen Potsdam (Migrantenbeirat der Stadt Potsdam, Pan-African Women’s Empowerment and Liberation Organization (PAWLO-Masoso), Seebrücke Potsdam, Projekthaus Babelsberg und Einzelpersonen) ein.
Ansprechpartner:in Anne Kollien
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email kontakt@akademie-der-kueste.de
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Hintergrundinformationen zur Pressemitteilung
Abgegebene Stimmen: 144, Davon gültige Stimmen: 140 Es handelt sich um eine nicht-repräsentative Stichprobe. Ausgezählt und über alle drei Potsdamer Wahlkreise aggregiert wurden die Zweitstimmen.
SPD: 32,8 Prozent DIE LINKE: 32,8 Prozent
GRÜNE/ B90: 13,5 Prozent
CDU: 8,5 Prozent
BSW: 5 Prozent
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Sonstige: 6,3 Prozent (FDP: 3,5 Prozent, BVB/FREIE WÄHLER: 1,4 Prozent, Tierschutzpartei: 1,4 Prozent)
Symbolisch ist die Wahl, weil die 144 gesammelten Stimmen für etwa 12,9% (20.500) der hier lebenden Ü16-Jährigen Potsdamer:innen stehen, die direkt von den Wahlergebnissen betroffen sind, diese am 22.9.2024 jedoch nicht beeinflussen konnten. Wie viele Menschen ab 16 Jahren im Land Brandenburg betroffen sind, erfasst der Landeswahlleiter laut eigener Aussage nicht.
Die Ergebnisse der Symbolwahl einzeln und ohne Kontext zu analysieren, ist wenig zielführend, da sie im Falle der Wahlberechtigung von nicht-deutschen Staatsangehörigen zu den allgemeinen Ergebnissen hinzugezählt würden. Zu argumentieren, das Wahlrecht solle nicht-deutschen Menschen (nicht) zugestanden werden, weil diese Wählendengruppe diese oder jene Partei bevorzugen würden, vernachlässigt die Tatsache, dass es im Falle der Anpassung des Wahlrechts jeder Partei freistünde, gezielt auch diese Wählenden und ihre Belange einzubeziehen und somit ihre Stimmen für sich zu gewinnen.
Die Wahlzettel entsprachen inhaltlich denen der Originalwahl, sie waren lediglich durch die Logos der durchführenden Organisationen und den Zusatz „Symbolwahl“ gekennzeichnet, um Verwechslungen auszuschließen.
Bei dieser politischen Aktion durfte aus Datenschutzgründen nicht auf das Einwohner:innen-melderegister zurückgegriffen werden. Die Einladung zur Teilnahme an der Wahl erfolgte ausschließlich über Flyer und Plakate, sowie Direktansprache der kooperierenden Organisationen.
Neben der Verbreitung der Forderung des Wahlrechts „für alle“, war auch die politische Bildung der noch nicht Wahlberechtigten und Neu-Wahlberechtigten zum Thema Wahlen ein Ziel der Kampagne. Denn die Erfahrung anderer Länder zeigt, dass auch nach Einführung des Wahlrechts für sog. non-citizens deren Wahlbeteiligung zunächst hinter der der schon länger wahlberechtigten Bevölkerung zurückbleibt.
In den Wahllokalen in der Innenstadt (Platz der Einheit, Luisenplatz und Gutenbergstraße), in Babelsberg sowie in Waldstadt I und II, auf dem Campus Golm, im Kirchsteigfeld/ Am Stern, in Potsdam-West, Zentrum-Ost und Schlaatz konnten sich auch Wahlberechtigte mit der Frage auseinandersetzen, wie sie zum Wahlrecht für alle stehen. Sie waren eingeladen sich über die Rechtslage in Deutschland und anderen Staaten zu informieren und an einer entsprechenden Online-Umfrage zum Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger:innen teilzunehmen. Derzeit gibt es in 14 EU-Staaten gesetzliche Regelungen für ein Kommunalwahlrecht von Nicht-EU-Staatsangehörigen. Weltweit können sog. non-citizens in über 50 Demokratien ein Wahlrecht auf lokaler, regionaler oder nationaler Ebene ausüben.
Weiterführende Informationen zum Bundesnetzwerk WIR WÄHLEN
Web https://www.wir-wählen.org
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