Pressemitteilung Nr. 55 vom 26.01.2018 Neujahrsempfang der Landeshauptstadt Potsdam 2018

Jahreskampagne „1000 Jahre und ein Vierteljahrhundert“ – 1025 Jahre Potsdam / OB Jann Jakobs begrüßte 600 Gäste im Nikolaisaal / Erste Ehrenbürgerin: Prof. Helga Schütz

    Neujahrsempfang 2018

    Im Mittelpunkt des Neujahrsempfangs der Landeshauptstadt Potsdam am vergangenen Freitag stand die Jahreskampagne „1000 Jahre und ein Vierteljahrhundert“ – 1025 Jahre Potsdam. Oberbürgermeister Jann Jakobs, die Beigeordneten und die leitenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Landeshauptstadt begrüßten etwa 600 Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft, Kultur, Sport und Medien sowie Vertreterinnen und Vertreter von Potsdamer Vereinen, Verbänden und karitativen Einrichtungen.

    Unter den Gästen des Neujahrsempfangs waren unter anderem Brandenburgs Landesminister Karl-Heinz Schröter und Dr. Martina Münch, der Ministerpräsident a. D. Matthias Platzeck, die Botschafter aus Tunesien, Peru und der Ukraine, Europaabgeordnete, Vertreterinnen und Vertreter von Bundestag und Landtag sowie Landräte und Oberbürgermeister aus dem Land Brandenburg und Mitglieder der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung.

    „Potsdam ist eine vielfältige Stadt mit historischen Wurzeln und 25 erfolgreichen Jahren nach der Wende“, sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs. „Deswegen sind wir stolz darauf, dass wir unsere Veranstaltung in diesem Jahr unter das Motto ,1000 Jahre und ein Vierteljahrhundert‘ stellen können. Unser Augenmerk gilt den vergangenen 25 Jahren. Dank des enormen privaten und öffentlichen Engagements wurde unsere Stadt schöner und anziehender. Die Anzahl der Potsdam-Besucher hat sich um das Vierfache erhöht. Das vielleicht Wichtigste aber ist der Stimmungswandel, der sich seit 1993 vollzogen hat – Potsdam wurde von der Jammerhauptstadt zur Boomtown des Ostens.“
    Die Hauptrede mit Gedanken zum Jahresthema hielt der Chefredakteur des Tagesspiegel, Stephan-Andreas Casdorff. Zweiter wichtiger Programmpunkt war die Verleihung der Ehrenbürgerschaft der Landeshauptstadt an Prof. Helga Schütz für ihre schriftstellerischen Verdienste um Potsdam. Die Laudatio hielt der frühere Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf, Prof. Dieter Wiedemann.

    Helga Schütz ist die erste Ehrenbürgerin Potsdams. Oberbürgermeister Jann Jakobs gab darüber seiner Freude Ausdruck, als er sagte: „Frau Professorin Helga Schütz hat sich in herausragender Weise um die Landeshauptstadt Potsdam verdient gemacht. Sie ist eine nicht nur im deutschsprachigen Raum bewunderte und gewürdigte Schriftstellerin, die ihr Potsdamer Leben für ihre Leserinnen und Leser in aller Welt erfahrbar gemacht hat.“

    Helga Schütz wurde 1937 in Niederschlesien geboren. Zahlreiche hochrangige Auszeichnungen dokumentieren ihre außergewöhnlichen künstlerischen Leistungen. Sie ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland und erhielt unter anderem den Heinrich-Graf-Preis 1. Klasse, den Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR, den Theodor-Fontane-Preis des Bezirkes Potsdam, den Brandenburgischen Literaturpreis, die Dr.-Manfred-Jahrmarkt-Ehrengabe der Deutschen Schillerstiftung sowie das Hermann-Hesse-Stipendium.   

    Mit der Stadt Potsdam ist Helga Schütz persönlich und beruflich verbunden. Seit Mitte der 1960er Jahre verfasste sie Drehbücher zu über 30 Filmen, die zu Zeugnissen der DDR-Filmkunst wurden. Ab 1993 war Helga Schütz Professorin für „Drehbuch“ an der Hochschule für Film und Fernsehen und gab ihre Erfahrung an den jüngeren Nachwuchs weiter. Mit Beendigung ihrer beruflichen Laufbahn hat sie den Nachlass dem Filmmuseum Potsdam übergeben. Neben ihrem filmischen und schriftstellerischen Schaffen hat sich Helga Schütz schon früh für den Umweltschutz in Brandenburg engagiert, unter anderem im Rahmen der Pfingstberg-Bürgerinitiative. Die Pflege der Natur verbunden mit dem Denkmalschutz ist der gelernten Gärtnerin ein Anliegen, wie sie täglich in ihrem eigenen Garten beweist.

    Für die musikalische Umrahmung des Neujahrsempfangs sorgte das Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule „Johann Sebastian Bach“ Potsdam unter Leitung von Andreas Jerye. Der Neujahrsempfang begann mit der Musik von Felix Mendelssohn Bartholdy, Symphonie Nr. 5 in d-moll op. 107, „Reformations-Symphonie“, Zweiter Satz: Scherzo.

    Die Landeshauptstadt Potsdam dankt an dieser Stelle der Mittelbrandenburgischen Sparkasse in Potsdam als Hauptsponsor des Neujahrsempfanges.

     

    Die Rede des Oberbürgermeisters auf dem Neujahrsempfang 2018


    „1000 Jahre und ein Vierteljahrhundert“
    Die Rede von Oberbürgermeister Jann Jakobs beim Neujahrsempfang
    der Landeshauptstadt Potsdam im Nikolaisaal


    Es gilt das gesprochene Wort!

    „Sehr geehrte Damen und Herren,
    liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,
    liebe Gäste,

    ich freue mich, Sie heute im Nikolaisaal zum diesjährigen Neujahrsempfang der Landeshauptstadt Potsdam begrüßen zu können.

    Wir sind soeben filmisch und musikalisch eingestimmt worden über das Thema unseres Jahresmottos, das lautet: „1000 Jahre und ein Vierteljahrhundert“.
    Potsdam feiert 2018 seinen 1025. Geburtstag! Wir würdigen diesen Geburtstag mit zahlreichen Veranstaltungen zu Themen der Stadtgeschichte, die sich insbesondere mit den Veränderungen in den vergangenen 25 Jahren, also seit der 1000-Jahr-Feier 1993 beschäftigen. Aber dazu etwas später mehr.

    Zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen, einige Gäste hier im Saal persönlich zu begrüßen:

    Ich freue mich, dass für die Landesregierung Brandenburg die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur zu uns gekommen ist, um das Grußwort der Landesregierung zu sprechen. Herzlich willkommen, Dr. Martina Münch. Zudem begrüße ich den Minister des Innern und für Kommunales, Karl-Heinz Schröter.

    Stephan-Andreas Casdorff, Chefredakteur des Berliner Tagesspiegel, ist heute unser Gast. Er hält die Hauptrede des Neujahrsempfangs zu unserem Jahresmotto. Schön, dass Sie da sind! Wir sind gespannt auf Ihre Rede!

    Ich freue mich, den früheren Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Matthias Platzeck, unter uns zu wissen. Seien Sie begrüßt.

    Auf dem Programm steht heute die Ehrung einer bedeutenden Schriftstellerin Potsdams, die für ihr außergewöhnliches künstlerisches Wirken in unserer und für unsere Stadt geehrt wird. Wir verleihen ihr heute die Ehrenbürgerwürde:

    Herzlich willkommen, Frau Prof. Helga Schütz!

    Die Laudatio hält der ehemalige Präsident der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf, Prof. Dieter Wiedemann. Willkommen, ich freue mich auf Ihre Rede!

    In diesem Zusammenhang ist es mir eine besondere Ehre, die Ehefrauen leider schon verstorbener Ehrenbürger unserer Stadt begrüßen zu dürfen. Herzlich willkommen Marianne Giersberg, Cosmea Sprotte und Dorothea Nerlich!

    Unsere Veranstaltung wird heute auch besucht durch Prinzessin Sophie von Preussen, die ich die Freude hatte standesamtlich trauen zu dürfen. Seien Sie herzlich willkommen! Und grüßen Sie ihren Gatten Prinz Georg Friedrich!

    Ich begrüße die Exzellenzen und Botschafter:
    Dr. Andrii Melnik aus der Ukraine,
    Ahmed Chafra aus Tunesien und
    Elmer Schialer aus Peru.

    Zu Gast sind die Bundestagsabgeordneten Manja Schüle, Linda Teuteberg und Norbert Müller. Seien Sie begrüßt!

    Ein herzliches Willkommen gilt allen Staatssekretärinnen und Staatssekretären, Landräten, Oberbürgermeistern, Bürgermeistern, Landtagsabgeordneten und Stadtverordneten, darunter die Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung, Birgit Müller.

    Ich begrüße den Vorstandsvorsitzenden der Mittelbrandenburgischen Sparkasse, Andreas Schulz. Ich freue mich über den Besuch unserer Freunde von der Bundeswehr, unter ihnen der Kommandeur des Landeskommandos Brandenburg, Oberst Olaf Detlefsen.

    Ich begrüße den Generaldirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Prof. Hartmut Dorgerloh.

    Und ein ganz besonderes Willkommen gilt heute dem Ehrenpräsidenten des
    1. FFC Turbine Potsdam, Bernd Schröder, der mit seiner Frau gekommen ist. Ein sportliches Hallo!

    Wir werden heute wieder musikalisch begleitet vom Jugendsinfonieorchester der Städtischen Musikschule „Johann Sebastian Bach“ unter der Leitung von Andreas Jerye. An dieser Stelle möchte ich Gisbert Näther begrüßen, der das dritte Musikstück komponiert hat. Vielen Dank, dass Sie bei uns sind.

    Meine sehr geehrten Damen und Herren,
    im vergangenen Jahr fanden am Tag unseres Neujahresempfangs bekanntlich zwei weitere Großereignisse statt: die Amtseinführung des neuen US-Präsidenten und die Eröffnung des Museum Barberini.

    Parallel zum heutigen Neujahrsempfang ist aber – daran will ich alle erinnern - der so genannte Ehegatten-Tag! Männer und Frauen in aller Welt feiern ihre Ehe und verbringen den Tag zusammen oder nutzen den Abend zu zweit, heißt es.

    Nun, meine Damen und Herren, ich sehe hier einige Gäste partnerlos. Dann mal auf! Dann haben Sie gewiss heute Abend noch etwas vor – nach dem Neujahrsempfang, versteht sich.

    Kommen wir aber noch einmal zurück zum Museum Barberini. Die Eröffnung dieses Hauses und die ersten Ausstellungen 2017 haben in Potsdam im vergangenen Jahr einen absoluten Höhepunkt gesetzt. Mehr als 500.000 Besucherinnen und Besucher sind gekommen.

    Das ist ein toller Erfolg und gleichzeitig eine große Werbung für unsere Stadt. Ich danke an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unserem Ehrenbürger Prof. Hasso Plattner für dieses Geschenk!

    Das Museum Barberini ist nicht nur ein echtes Großereignis – sondern es ist stadtbildprägend für die Potsdamer Mitte. Um Museum, Landtag und Bildungsforum herum wird nach dem Rückbau der Fachhochschule ein neues, vielfältiges und auch modernes neues Zentrum entstehen.

    Ich bin überzeugt, dass sich die noch bestehenden Vorbehalte – wie schon beim Landtagsbau – nach der Fertigstellung der neuen Bebauung in Luft auflösen werden. Und nicht nur wegen des Stadtbildes, sondern auch wegen der sozialen Mischung im neuen Zentrum und der Belebung dieses Stadtviertels.

    Was war noch im Jahr 2017? Wir haben das Sport- und Freizeitbad am Brauhausberg eröffnet, nach Jahren der Planung. Es ist ein Publikumserfolg. Die Dauerkarten gingen weg wie warme Semmeln. Und wir haben 44 Millionen Euro in neue Schulen, Sportanlagen und Kitas investiert, die so eminent wichtig sind für die Zukunft unserer Kinder.

    Und 2018? Potsdam wächst weiter. Gewaltig sogar. Bei anhaltend hoher oder sogar steigender Lebensqualität. Insgesamt investiert die Landeshauptstadt in den nächsten drei Jahren 338 Millionen Euro für Infrastrukturprojekte – also unter anderem für Kitas, Schulen, Schulsportanlagen, Bahn und Busse. Für neue Kitas und Horte stehen 2018 und 2019 jeweils mehr als 22 Millionen Euro zur Verfügung. Das sind enorme Summen, die dazu beitragen werden, dass wir die Herausforderungen der wachsenden Stadt bewältigen. Wir steuern das und sind dabei auf einem sehr guten Weg!

    Natürlich kommt es auch darauf an, dass die Landeshauptstadt möglichst überall lebenswert und bezahlbar bleibt. Daher haben wir das städtische Wohnungsbauprogramm ausgebaut und animieren private Investoren wie zum Beispiel in Krampnitz, in den Potsdamer Wohnungsbau zu investieren. Neben dem Wohnungsbau an sich wollen wir die Mietpreis- und Belegungsbindungen weiter ausbauen, um Wohnen bezahlbar zu halten. Und wir werden in allen Stadtteilen tätig, um die Lebensqualität zu erhalten oder sogar zu verbessern, vom Potsdamer Norden bis nach Drewitz.

    Unser Anspruch ist es, dass alle Potsdamerinnen und Potsdamer sich in ihren Kiezen wohlfühlen können, egal wo sie herkommen, egal welchem Glauben sie angehören oder wen sie lieben. Dafür arbeiten wir hart und wir sind hier auch auf dem besten Weg, dieses Ziel zu erreichen.

    All dies hat in unserer toleranten und vielfältigen Stadt Tradition. In der mehr als tausendjährigen Geschichte Potsdams finden sich dazu etliche Zeugnisse. Nun werden wir also 1025 Jahre alt.

    Ein Blick zurück: Im Januar 1993 begann mit einer „Geisterstunde“ in der Brandenburger Straße die Tausend-Jahrfeier Potsdams. Weiß geschminkt, spazierten historische Persönlichkeiten durch die Fußgängerzone, um für das Millennium zu werben.

    In diesem Jahr sind wir 25 Jahre weiter. Die Überschrift „1000 Jahre und ein Vierteljahrhundert“ macht deutlich, worauf unsere Jahreskampagne abhebt: auf die Veränderungen, die sich seither vollzogen haben.

    Durch Eingemeindungen in den Jahren 1993 und 2003, Zuzüge und eine erfreulich hohe Zahl an Geburten ist Potsdam gewachsen. Dank des enormen privaten und öffentlichen Engagements wurde unsere Stadt schöner und anziehender. Die Anzahl der Potsdam-Besucher hat sich um das Vierfache erhöht. Das vielleicht Wichtigste aber ist der Stimmungswandel, der sich seit 1993 vollzogen hat – Potsdam wurde von der „Jammerhauptstadt“ zur Boomtown des Ostens.

    Wir können daher sehr stolz auf unsere Heimatstadt sein!

    Die Ausstellung am Bauzaun in der Potsdamer Mitte, die seit der vergangenen Woche zu sehen ist, und die zahlreichen Veranstaltungen, die die aufgeworfenen Themen der Ausstellung vertiefen werden, laden zur Diskussion über Geschichte und Perspektive unserer Stadt ein.

    Manche sprechen ja inzwischen von Potsdam als der heimlichen Hauptstadt der Republik (Der Spiegel, 2007) oder dem „München des Ostens“ (Berlin-Institut 2011). Das ist zwar Ausdruck unseres Erfolges, aber mir nicht unbedingt recht. Es weckt zwiespältige Assoziationen. Ich denke: Potsdam ist Potsdam.

    Und Potsdam hat Alleinstellungsmerkmale, die wir in den letzten 25 Jahren gestärkt haben:
    -    Im Bereich der Wirtschaft bei Medien, Tourismus und in der Kreativwirtschaft
    -    Im Bereich der Wissenschaft und der wissenschaftsbasierten Dienstleistungen
    -    Im Bereich des gesellschaftlichen Zusammenhalts
    -    Durch unser gemeinsames Verständnis dafür, dass alle Stadtteile und damit alle Potsdamerinnen und Potsdamer an der höheren Lebensqualität in unserer Stadt partizipieren sollen
    -    Im Bereich des Sports und der Kultur
    -    Nicht zuletzt durch die Pflege unseres Welterbes einschließlich der Reparatur unseres durch Krieg und Diktatur zerstörten Stadtbildes in der Mitte.

    Wenn wir an diesen Alleinstellungsmerkmalen festhalten und weiter arbeiten, mache ich mir auch in Zukunft keine Sorgen um unsere Stadt. Thomas von Aquin hat einmal gesagt: „Für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten.“ Wir haben uns für letzteres entschieden.

    Lassen Sie mich zum Schluss auf aktuelle Ereignisse eingehen, die mich sehr beschäftigen: die rechten Stimmungen im Lande, die jüngst durch Verbindungen von bürgerlich-asylkritischen Demonstrationen mit Rechtspopulisten und Rechtsextremisten neuen Aufschwung bekommen haben.

    Das, was sich vergangene Woche in Cottbus abgespielt hat, diese Welle, die aus Sachsen offenbar nun zu uns nach Brandenburg hinüberschwappt, sollte uns ernsthaft aufrütteln. Es sollte unser Augenmerk wieder besonders stark auf die Entwicklungen rechter Stimmungen im Lande lenken.

    Natürlich verurteilen wir Gewaltangriffe, von welcher Seite auch immer sie ausgeübt werden. Das muss hart geahndet werden. Aber es gibt keine Rechtfertigung dafür, diese Geschehnisse zu ausländerfeindlicher Stimmungsmache zu missbrauchen. Dem müssen wir entgegenwirken.

    Klar ist auch: Die Flüchtlingsbewegungen von 2015 und 2016 haben Veränderungen gebracht, die mancher als bedrohlich empfindet. Deshalb müssen wir weiterhin unbedingt mehr Anstrengungen in die Integration von Flüchtlingen unternehmen. Und das werden wir auch tun.

    Natürlich müssen die Täter bestraft werden, aber wir müssen das Klima ändern, wir müssen mehr Geld in die Hand nehmen, um den Sprachunterricht zu verbessern, um die Menschen, die zu uns gekommen sind, in Wohnungen zu bringen und sich besser einleben zu lassen. Das gilt vor allem für Jugendliche. Wir müssen ihnen zeigen, wie friedlich wir hier leben. Und wir müssen die Atmosphäre des Willkommens pflegen. Dazu gehört politisch auch, so schnell wie möglich den Familiennachzug zu regeln.

    Und wir müssen eine klare Haltung zeigen gegen rechtsextreme Tendenzen, gegen fremdenfeindliche Stimmungen, die wir hier in Potsdam seit Jahren, ja Jahrzehnten im Bündnis „Potsdam! bekennt Farbe“ mit allen gesellschaftlichen Kräften erfolgreich leben.

    Der Kampf gegen Pogida im Jahr 2016, das großartige gemeinsame bürgerschaftliche Engagement für Vielfalt und Toleranz und gegen Rassismus hat Potsdam über all die Jahre entscheidend geprägt. Es macht mich stolz, dass wir das erreicht haben. Das muss im ganzen Lande eine Aufgabe von uns allen werden!

    Der griechische Philosoph Demokrit hat gesagt: „Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende.“ Verlassen wir uns also nicht auf das Glück. Wenn man eine klare Haltung hat und mit Mut agiert, wird man am Ende auch Glück haben. Ich finde, das könnte ein gutes Motto für dieses Jahr werden.

    In diesem Sinne, wünsche ich Ihnen allen einen schönen Abend und ein erfolgreiches Jahr 2018 für Sie und Ihre Familien!

    Ich übergebe nun das Wort an Frau Ministerin Dr. Martina Münch.“

     

    Die Rede von Tagesspiegel-Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff

    Die Potsdamer Dimension

    Es macht mich froh und stolz, heute hier zu sein. Als rheinischer Preuße. Aber heute nicht zu rheinischer Redelust verpflichtet, sondern zu preußischer Kürze. Also - es ist alles gesagt. Nur noch nicht von mir.

    1025 Jahre Potsdam – und 16 Jahre davon: Jann Jakobs! Ich werde ihn vermissen. Sie auch! Wenn er dann im nächsten Jahr Selfies in die Welt schickt, von der Reise mit seiner Frau durch Afrika ...

    Wer ist das denn? Was will der denn hier? Ein Berliner – was hat uns der denn zu sagen? Wieder einer aus B wie Besserwisser. Nein, nein, nein. Ich weiß nichts besser, wie sollte ich. Und weil Sie, lieber Jann Jakobs, eben Thomas von Aquin zitiert haben – zitiere ich ihn jetzt mal so: „Wer tapfer ist, der ist auch geduldig.“ Danke dafür!
    Die Potsdamer neuesten Nachrichten sollten Sie schon kennen – so oder so. Ich spiegele Ihnen nur zu diesem Tag, was man sich auch denken kann. Nehmen Sie es als, sagen wir, einen Tagesspiegel. Und B steht sowieso in meinem Denken für Brandenburg. Weil alles Denken zugleich Fühlen ist, sage ich Ihnen: Wenn ich an Potsdam denke, habe ich ein schönes Gefühl. Berlin ist bedeutend – Potsdam ist schön. Aber nicht nur.

    Potsdam ist, jedenfalls sagt mir das mein Gefühl, so viel mehr. Buchstabieren wir es noch einmal durch.
    P für Preziosen. Und damit meine ich nicht den Uferweg am Griebnitzsee.
    O für ostdeutsche Identität. Und damit meine ich keine alleinige Identifikation.
    T für Tradition – in aller Transparenz.
    S für Sendungsbewusstsein – das nicht nur dem rbb übertragen ist.
    D für Digitalisierung – die nicht allein an Hasso Plattner hängt.
    A für Aktion – die manchmal erst mit dem Anecken beginnt.
    M für Magnetismus – der sich aus einem Muster an Mut zur Modernität speist.

    Potsdam ist Barock mit Charme. Und Potsdam wird zum Schwarm, in jeder Hinsicht. Potsdam ist ein Hub. Ist Mobilität, von Menschen und Daten. Potsdam wird Station auf dem Weg in die Zukunft.

    Ist Potsdam nicht das eigentliche Laboratorium der Einheit? Jedenfalls ist es, gemeinsam mit Berlin, die deutsche Stadt mit dem höchsten Lerneffekt. Wo sonst gibt es auf so engem Raum, auf diesen paar Quadratmetern, so viel Historie? Wo treffen so unmittelbar Superreiche und Ureinwohner aufeinander? Wo ist so viel in Bewegung und zu gestalten? Wo hat sich so viel „gewendet“?

    Das sind Herausforderungen!

    45 000 neue Potsdamer bis 2035 – dann sind es 220 000. Bald wird die letzte Parklücke bebaut sein. Das Wachstum macht vielen Sorge, auch Angst. Werde ich mir die Wohnung noch leisten können? Wie komme ich zur Arbeit auf vollen Straßen, in vollen Zügen? Wo werden die Kinder betreut? Wo gehen sie zur Schule? Bleibt Potsdam trotzdem – schön?

    Halt! Wo so viele Geistesgrößen zu Hause sind, pro Kopf mehr Wissenschaftler als in jeder anderen Stadt, wenn mich mein Gefühl nicht täuscht – da verbietet sich Kleingeisterei. Denn damit lässt sich Zukunft nicht gewinnen.

    Jung und Alt. Ost und West. Arm und Reich – wenn es eine Stadt gibt, in der der Versuch immer wieder neu gelebt werden muss, zu versöhnen, nicht zu spalten, dann Potsdam. Dann ist es das erhoffte Muster an Modernität. Und das meinte ich mit Tradition in aller Transparenz, vom alten Fritz über die sozialistische Bezirksstadt bis heute. Heute ist Potsdam Ostwestmetropole. Mit Spannungen, aber ohne Klassenkampf. Das Zusammenleben funktioniert, und zwar weitgehend unaufgeregt. Die Jauchs und Joops werden nicht auf der Straße angesprochen. Ich denke, sie sind dem Potsdamer herzlich egal. So gesehen hat Potsdam schon Klasse.

    Das wird umso wichtiger, als diese Stadt wachsen muss. Damit meine ich nicht die Havelspange. Nicht Krampnitz, nicht Golm, nicht Fahrland.

    Potsdam muss über sich hinauswachsen. Die Stadt darf sich nicht selbst genug sein. Potsdam ist keine Insel. Potsdam ist eine unvergleichliche kleine Großstadt. Ist Landeshauptstadt. Ist Brandenburg. So weit weg wie gefühlt ist die Prignitz nicht.

    Potsdam, das ist aus meiner Sicht die Stadt, in der Maß und Mitte ausgelotet werden können. Eine Modellstadt sozialverträglichen Miteinanders. Eine Mittelstadt als großes Modell dafür, wie Brüche produktiv aufgearbeitet werden, zwischen Mercure-Hotel und DDR-Kunst im Palais Barberini.

    Und das kann gelingen. Der Rundblick vom Mercure zeigt es: eine barocke Stadt von der Grundstruktur mit außerdem unverkennbarer sozialistischer Baukultur. Aber Ulbricht ist überwunden. Auch der.

    Wenn Sie gedacht haben sollten, da kommt einer aus B und weiß alles besser – also das ist eine, ist meine Berliner Perspektive: Dort S-Bahn-Chaos – hier neue XL-Straßenbahnen mit Taktverdichtung. In 40-Meter-Trams alle fünf Minuten in Potsdams Norden. Wobei das mit den Bussen, aber nur am Rande, noch besser laufen kann. Dort überforderte Bürgerämter – hier auf die Minute funktionierende Online-Terminvergabe samt pünktlichem Rundum-Service ohne Wartezeit. Dort marode Schulen – hier sind nahezu alle Schulen saniert, es werden zahlreiche neu gebaut. Und auch Kitas.

    Potsdam ist wie dafür gemacht: für den Aufbruch. Wenn doch Berlin mit sich selbst beschäftigt ist, liegt darin die Chance: von hier aus das Wachsen, auch Zusammenwachsen, der Region zu gestalten. Gestalten, nicht erleiden!

    Es geht dabei nicht um uferloses Wachstum. Wenn in Berlin 27 000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden müssten, es aber nur 8000 sind – wie viel schafft Potsdam? Die Grenzen des Wachstums müssen diskutiert werden. Die Grenzen hier und die Grenzen zu Berlin.

    Nennen wir es die Potsdamer Dimension: Quantität mit Qualität versöhnen. Nicht gigantomanisch planen, sondern der Zukunft zugewandt gestalten. Nicht barockisierend, sondern modern. In der Politik wie in der Architektur. Eingedenk der Verlustgefühle. Nicht nur für die mit gut gefülltem Portemonnaie. Oder für die Touristen. Die aus – Berlin.
    Aber da ist mir nicht bange.

    Das liegt auch an den Eigenschaften der Potsdamer, wie ich sie sehe: Ausgestattet mit einem unverkrampften Verhältnis zu Autoritäten jeder Art, sind sie nicht leicht zu beeindrucken, eigenwillig und debattierlustig.

    Es ist kein Widerspruch zum roten Potsdam von einst: Die Stadt ist aus ihrer Historie heraus erstaunlich offen gegenüber Leuten, die hierherkommen. Gegenüber, sagen wir, Jann Jakobs. Ganze zwölf Jahre nach der politischen Wende ist er Oberbürgermeister geworden. OB! Oh, ein Besser-Macher! Ein Ostfriese aus West-Berlin. Und das nach dem Urpotsdamer Matthias Platzeck. Es geht, und es geht gut.

    Ja, Potsdam ist offen.

    Selbst mir gegenüber.

    Vielen Dank!