Am Tag des Flüchtlings im Rahmen der Interkulturellen Woche haben sich der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, Oberbürgermeister Mike Schubert und Liza Pflaum von der internationalen Initiative Seebrücke in Potsdam mit aus Seenot geretteten Geflüchteten getroffen. Zudem haben Bedford-Strohm, Schubert und Pflaum am Nachmittag öffentlich einen eindringlichen Appell für ein stärkeres Engagement der europäischen Staatengemeinschaft, auch Deutschlands, verlesen. „Die Verantwortung für die Aufnahme von Schutzsuchenden liegt schon jetzt bei allen Mitgliedsstaaten – auch Deutschland. Es darf kein tatenloses Warten auf eine europäische Lösung geben. Als Vertreter*innen von Städten, Kommunen, Kirche und Zivilgesellschaft sagen wir auch: Die jetzige Politik bedroht nicht nur das Leben der Flüchtlinge, sie setzt auch unsere Humanität und Würde aufs Spiel. Wir werden nicht nachlassen, für Solidarität und Mitmenschlichkeit einzustehen“, heißt es in der Erklärung, die an die Bundesregierung gerichtet ist.
„Was ist los mit Europa? Was ist los mit diesem Kontinent, der einmal eine große Friedensvision verkörperte?“, fragt der Vorsitzende des Rates des Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Der Hinweis auf Europa sei derzeit „zu einem Codewort für die Absenkung von Menschenrechtsstandards“ geworden. „Das dürfen wir nicht hinnehmen! Lasst uns auch als Zivilgesellschaft europäisch werden! Wir streiten dafür, dass Europa seine eigene Vision von Frieden und Gerechtigkeit wieder ernst nimmt! Die Worte über die Menschenwürde in unserem Grundgesetz sind keine leeren Worte, sie müssen gelebt werden!“
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert betonte: „30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, was auch eine Zäsur in der europäischen Geschichte war, zeigt Europa das hässliche Gesicht der Abschottung. Die Würde der Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, wird mit Nichtachtung gestraft. Der Imperativ der Humanität muss allgemein gültig sein!“
„Wir sprechen im Jahr 2020 immer noch von Lagern, in denen Menschenrechte mit den Füßen getreten werden. Die Bundesregierung versagt, sie muss endlich Abstand von ihrer Abschottungspolitik nehmen. Es ist Zeit, dass Kanzlerin Merkel endlich wieder für Menschenrechte eintritt. Deutschland und andere willige EU-Länder müssen vorangehen und alle Lager auf den griechischen Inseln evakuieren”, so Liza Pflaum von der Seebrücke.
Daher fordern die Landeshauptstadt Potsdam, die Evangelischen Kirche in Deutschland und die Initiative Seebrücke in der gemeinsamen Erklärung (siehe Anhang):
1. Die Lager auf den griechischen Inseln müssen endlich evakuiert werden!
2. Aufnahme ermöglichen und vorangehen!
„Wir erwarten von der Bundesregierung, sich den Angeboten von Bundesländern, Städten und Kommunen nicht länger zu widersetzen, Geflüchtete aus den griechischen Lagern aufzunehmen. Wer helfen will, muss helfen dürfen“, heißt es in der Erklärung.
Unterstützt werden die Forderungen von zahlreichen Oberbürgermeisterinnen und Oberbürgermeistern des Bündnisses „Städte Sicherer Häfen“. Mehr als 20 Stadtoberhäupter haben sich in Videobotschaften, die auch am Wochenende auf dem Großbildschirm am Potsdam-Stand bei der EinheitsEXPO vor dem Filmmuseum gezeigt werden, für eine stärkere humanitäre Hilfe ausgesprochen. Während der öffentlichen Veranstaltung am Vorabend der zentralen Feier zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit wurde zudem eine Live-Schalte zum Seenotrettungsschiff „Sea Watch 4 – powered by United4Rescue“ organisiert. Ende Januar 2020 konnte Sea-Watch gemeinsam mit dem Bündnis „United4Rescue“ das frühere Forschungsschiff „Poseidon“ erstehen, das im Februar dieses Jahres auf den Namen „Sea Watch 4 – powered by United4Rescue“ getauft wurde und im August zur Seenotrettung auslief. Am 19. September 2020 wurde das Schiff von den italienischen Behörden nach einer Sicherheitsprüfung festgesetzt. Es wird am Auslaufen gehindert und kann somit seine Mission der Rettung von Menschenleben auf dem Mittelmeer derzeit nicht fortsetzen.
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- Gemeinsame Erklärung zur humanitären Hilfe, 2. Oktober 2020