Kolumne der Woche: Gedenken, Erinnern, Strahlen

Oberbürgermeister Jann Jakobs
© Oberbürgermeister Jann Jakobs
Oberbürgermeister Jann Jakobs

7. November 2014

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

in diesen Tagen vor 25 Jahren fiel der Eiserne Vorhang. Die Mauer wurde geöffnet, nachdem sich Zehntausende in der DDR in wochenlangen Demonstrationen für Frieden, Freiheit und Demokratie eingesetzt haben. Das waren großartige Momente, die heute bei jedem von uns noch Gänsehaut erzeugen. Daran wollen wir erinnern, wenn wir am 9. und am 10. November die friedliche Revolution von 1989 feiern. Und wir möchten daran erinnern, dass es keine Selbstverständlichkeit war. Dass es Kraft und Mut kostete, sich dafür einzusetzen, dass das SED-Regime verschwindet.

Ich lade Sie daher ein, mit mir zusammen am 9. November um 15.30 Uhr in Groß Glienicke und am 10. November um 18 Uhr an der Glienicker Brücke die Maueröffnung zu feiern – am 10. November übrigens, weil die Glienicker Brücke auch erst einen Tag später geöffnet wurde.

Schon etwas früher, am Abend des 10. September 1989, verkündete Ungarns Außenminister Gyula Horn im Fernsehen, dass die Grenze nach Österreich vom folgenden Tag an für DDR-Bürger offen sei. Daraufhin reisten Zehntausende euphorisierte Deutsche aus der DDR in den nächsten Tagen und Wochen über Österreich in die Bundesrepublik aus. Der eiserne Vorhang war nun löchrig, bald schon würde er ganz verschwinden. Das dauerte immerhin 28 Jahre. Die Mauer hat vor allem Menschen eingesperrt – und dadurch voneinander getrennt. Sie war in diesem Sinne eine Gefängnismauer. Sie trennte Menschen, die sich kannten. Menschen, die sich mochten. Menschen, die zusammengehörten.

Die Berliner Mauer – sie war eine Potsdamer Realität. Viele wissen gar nicht, dass von den knapp 160 Kilometern Grenze zwischen West-Berlin und der DDR über 110 Kilometer im damaligen Bezirk Potsdam lagen. Was heute auch kaum noch einer erinnert: Die Grenzbefestigungen der DDR waren gerade auch in Potsdam teilweise Kilometer von der eigentlichen Grenze entfernt.

An den Grenzanlagen des DDR-Regimes sind in Potsdam mehr als 20 Menschen umgekommen, etwa 7000 Menschen wurden als politische Gefangene im ehemaligen Gefängnis der Staatssicherheit in der Lindenstraße 54 inhaftiert.

Die Mauer fiel aber nicht von alleine, auch nicht durch Druck von außen, wie es im Westen gerne gesehen wurde. Sie fiel, weil in den späten Achtzigerjahren zigtausende Bürgerinnen und Bürger mit Mut, Courage und Unerschrockenheit die friedliche Revolution möglich gemacht haben.

Diese Menschen haben unter größtem persönlichen Einsatz gehandelt. Und sie haben nicht nachgelassen. Sie haben sich in schwierigen Zeiten nicht für einen leichten Weg des Mitmachens entschieden, sondern für eine Veränderung der Gesellschaft gekämpft.

In Potsdam begann die Wende-Zeit im Oktober 1989, als sich unter dem Dach der Babelsberger Friedrichskirchgemeinde Tausende Bürgerbewegte trafen, um gegen das System zu demonstrieren. Die Pfarrer Martin Kwaschik und Hans Schalinski riefen zu einem Demonstrationszug in der damaligen Klement-Gottwald-Straße – heute Brandenburger Straße - auf, um für Freiheit und Demokratie einzutreten. In der Erlöserkirche ging der Protest weiter und wurde größer. Aus heutiger Sicht ein beredtes Zeugnis, dass Einzelne in der Lage sind, Dinge zu verändern und Großes zu tun.

Daran wollen wir in erster Linie in den nächsten Tagen erinnern. Lassen Sie mich zum Schluss aber an ein anderes historisches Ereignis erinnern: die Reichspogromnacht 1938. Wie schon in den vergangenen Jahren wollen wir mit den jüdischen und christlichen Gemeinden am Standort der damaligen Synagoge am Platz der Einheit eine Gedenkstunde abhalten. Auch zu dieser Veranstaltung lade ich Sie herzlich ein.

Ihr
Jann Jakobs