Kolumne der Woche: Das Stadthaus und der 20. Juli

Oberbürgermeister Jann Jakobs
© Foto Blumrich
Oberbürgermeister Jann Jakobs, © Foto Blumrich

20. Juli 2014

Liebe Potsdamerinnen und Potsdamer,

am heutigen Sonntag jährt sich das Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 zum siebzigsten Mal. Es gab schon lange vor dem Krieg und dann sich verstärkend in den letzten Kriegsjahren einen vielfältigen Widerstand gegen Hitler und die nationalsozialistische Regierung. Das waren Christen, Sozialdemokraten, Kommunisten oder auch einfache Bürgerinnen und Bürger, die sich diesem Terror-Regime mutig in den Weg gestellt haben, wohl wissend, dass jede Aktion gegen den NS-Staat ihre letzte gewesen sein konnte.

Warum also spielt der militärische Widerstand gegen Hitler - im Gedächtnis der nachfolgenden Generationen synonym mit dem "20. Juli" verwendet - auch und gerade für uns hier in Potsdam so eine bedeutende Rolle? Schließlich kann man den Attentätern tatsächlich vorwerfen, dass sie erst wirklich aktiv wurden, als sich die sichere Niederlage für Nazi-Deutschland abzeichnete. Und Demokraten waren die meisten Verschwörer sicherlich auch nicht.

Es gibt dafür mindestens drei Gründe. Erstens hat die alte Garnisonstadt Potsdam eine starke militärische Tradition, wie nur wenige Städte auf der Welt sie haben. Zweitens waren gleich mehrere Verschwörer des 20. Juli hier in Potsdam stationiert. Und drittens, und das ist bislang noch wenig dokumentiert, war Potsdam ein zentraler Handlungsort der aktiven Vorbereitungen für das Attentat auf Hitler.

Bei der Betrachtung der Abläufe am 20. Juli 1944 standen bisher Berlin und Paris im Fokus der Aufmerksamkeit. Weitgehend übersehen wurde bislang dagegen die Rolle, die Potsdam an diesem Tag gespielt hat, unter der Führung und Anleitung eines Enkels von Reichskanzler Bismarck. Ich bin deshalb dem Historiker und Publizisten Dr. Jochen Thies, dem wir diese neuen Einblicke verdanken und der auch am vergangenen Donnerstag in meinem Salongespräch dieses Thema näher beleuchtet hatte, überaus dankbar, dass er die Rolle des 43jährigen Gottfried Graf von Bismarck herausgestellt hat, der zu dieser Zeit Potsdamer Regierungspräsident war. Am Morgen des 20. Juli 1944 ist Bismarck nach Berlin gefahren und hielt sich stundenlang im Bendler-Block auf, um am Nachmittag mit Direktiven von Stauffenberg in die „Regierung“ nach Potsdam zurückzueilen, dem heutigen Rathaus der Stadt. Es ist nur wenig bekannt über die Aufgaben, die ihm an diesem Tag zugeteilt wurden, und vielleicht liegt hier der wichtigste Grund, warum Bismarck bis heute kaum erwähnt wird. Eine Reihe von Belegen und Fakten liegen vor, die beweisen, dass ihm im Kreis der Verschwörer eine wichtige Rolle zufiel.

Aber wie so häufig in Fragen rund um die Verschwörer des 20. Juli ist auch hier das Bild nicht ungetrübt. Denn Bismarck war zunächst ein Anhänger des NS-Regimes. Er wurde früh Parteimitglied, Himmler holte ihn in den Freundeskreis der SS, in der Bismarck, Teilnehmer am Ersten Weltkrieg, bis zum Rang eines SS-Gruppenführers aufstieg. Sein Engagement für das Regime kühlte sich jedoch rasch ab. Das begann schon 1938, als ihn sein älterer Bruder Otto, Diplomat im Auswärtigen Amt, in Berliner Oppositionskreise einführte.

Wie wichtig der Bismarck-Enkel für die Verschwörer am Ende war, zeigt sich daran, dass der Sprengstoff für die Bombe von Stauffenberg in einem Safe im Untergeschoss des heutigen Potsdamer Rathauses aufbewahrt wurde. Durch die in der Zwischenzeit erfolgten Umbauten ist der einstige Standort leider nicht mehr zu lokalisieren. Die Dienstwohnung Bismarcks befand sich aber in dem Bürotrakt, in dem sich heute mein Büro befindet.

Sie sehen, ich habe einen geradezu persönlichen Bezug zu den Attentätern vom 20. Juli. Es ist mir aber überaus wichtig, darauf hinzuweisen, dass der militärische Widerstand nur eine Facette des Widerstands gegen Hitler bildet. Auch in Potsdam gab es zum Beispiel kirchlichen Widerstand und natürlich gab es auch mutige Menschen, die aus purer Menschlichkeit und innerer Überzeugung Bedrohte und Verfolgte vor der Gestapo und den anderen Schergen des NS-Regimes beschützten. So jemand war Maimi von Mirbach. Sie versteckte in ihrem Haus mehrfach von der Gestapo gesuchte Juden, um sie vor der Deportation zu bewahren. Dafür wurde sie im Jahr 1981 noch zu Lebzeiten vom Staat Israel mit der Auszeichnung "Gerechte unter den Völkern" ausgezeichnet.

Wenn man jetzt anlässlich des 20. Juli - dieses besonderen Tages - des Widerstands gegen Hitler gedenkt, dann schließe ich diese Aufrechten ganz ausdrücklich in meine Erinnerung ein.

Ihr

Jann Jakobs